Extensivhaltung Rinder - Lohnt sich das?

aenas
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Extensivhaltung Rinder - Lohnt sich das?

#1

Beitrag von aenas » Fr 27. Sep 2013, 23:46

Hallo liebe SVler!

Ich habe mal wieder eine Frage an euch: Lohnt es sich (finanziell, etc.) Rinder extensiv zu halten?

Ich frage deswegen, da mein Vater Ackerbau auf 10 ha im Nebenerwerb betreibt. Das laeuft alles wunderbar, jedoch stellt sich irgendwann die Frage, ob ich das weitermache. Theoretisch hab ich natuerlich Lust aber ich habe keine Lust auf den Einsatz von Gift (hauptsaechlich wegen gesundheitlichen Gruenden). Oeko-Ackerbau waere natuerlich die logische Alternative aber ich weiss nicht ob sich das rentiert. Im Oeko muss man ja oefters striegeln, um das Unkraut kurz zu halten. Das erfordert einen erhoehten Arbeitsaufwand. Ausserdem stellt sich die Frage, ob der Ackerbau in Oeko ohne tierischen Duengereinsatz ueberhaupt langfristig moeglich ist (Humusabbau). Ich denke nicht! Auch finanziell lohnt es sich ja momentan nicht auf Oeko umzustellen...

Deswegen bin ich auf die Idee gekommen, Rinder extensiv zu halten. Natuerlich ist das auch nicht das Gelbe vom Ei. Unsere Ackerflaechen waeren wahrscheinlich zu Schade fuer den extensiven Einsatz, ausserdem sind sie nicht arrondiert. Die Lage hier in Oberfranken bietet theoretisch auch zu wenig Niederschlag im Sommer, als dass extensive Haltung Sinn macht.

Die einzigen Vorteile von meiner Idee sind: Ich kann die Landwirtschaft weitermachen (keine Verpachtung an Energiebauern), wir koennten das Fleisch sehr gut direkt vermarkten (Gasthof) und es waere sicherlich ein schoenes Hobby!

Was denkt ihr? Macht so was Sinn? Oder sollte man diese Idee sofort aufgeben?

tanzi
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Re: Extensivhaltung Rinder - Lohnt sich das?

#2

Beitrag von tanzi » Sa 28. Sep 2013, 07:24

Hallo

Wir haben hier eine kleine Grünland-Landwirtschaft mit ca. 4 Ha Wiese.
Unsere Erfahrung mit der extensiven Haltung (es waren Galloways) waren durchaus gut. Die Tiere waren das ganze Jahr im freien (nur ein kleiner Unterstand im Winter und Sonnenschutz im Sommer).
Da wir aber keine entsprechenden Infrastrukuren hatten (Lagerplatz für ausreichen Heu, Winter - Fütterstelle mit Grundwasserschutz, ..) haben wir inzwischen wieder damit aufgehört.
Auch war für uns die Vermarktung als Spezial-Rindfleisch nicht lokal möglich - und das wäre das finanzielle Zuckerl gewesen!
Wenn eine eigene "Vermarktung" im Gasthof möglich ist, ist das natürlich anders.

lg
liebe Grüße aus dem schönen Traisental
Rudi & Gerti

Adjua
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Re: Extensivhaltung Rinder - Lohnt sich das?

#3

Beitrag von Adjua » Sa 28. Sep 2013, 11:15

Mein Nachbar macht das so (auf 1000 m Höhe in den Alpen). Er kauft sich Stierkälber vom Pinzgauer Rind, zieht sie am eigenen Land auf und verwendet das Fleisch in seinem Restaurant. Diese Rasse hat ein sehr gutes Fleisch (wenn man noch eines bekommt, wo keine holländischen Milchrassen eingezüchtet worden sind) und kommt mit den alpinen Bedingungen gut zurecht (und der alpine Boden mit diesen Tieren ebenso). Er hat pro Jahrgang immer sowas wie fünf Tiere.

Manfred

Re: Extensivhaltung Rinder - Lohnt sich das?

#4

Beitrag von Manfred » Sa 28. Sep 2013, 14:34

Wie hoch ist denn das Pachtpreisniveau bei euch? Bamberg hat ja recht gute Ackerstandorte vorzuweisen.
Tendenziell würde ich davon ausgehen, dass es sich nicht rentiert. Schon gar nicht, wenn du lukrativ verpachten kannst.
Und wenn du die Äcker verpachtest, bleit der Ackerstatus und damit der Wert der Grundstücke erhalten.
Wenn du sie einsäst und das Grundlandumbruchverbot kommt, hast du durch den Wertverlust der Grundtücke mehr Geld in den Sand gesetzt, als du jemals mit ein paar Mutterkühen verdienen kannst.
Siehe auch das Thema: Zahl der Mutterkühe weiter rückläufig. Durchschnitt in D sind 250 Euro Verlust pro Kuh. Da musst du schon sehr gut sein, um zu den wenigen zu gehören, die damit Geld verdienen. Bei Färsen- oder Ochsenmast auf der Weide schaut es nicht viel anders aus.

aenas
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Re: Extensivhaltung Rinder - Lohnt sich das?

#5

Beitrag von aenas » So 29. Sep 2013, 22:56

Hmmm... das hab ich mir schon gedacht.

Andererseits, mit der Pacht verdient man doch auch nicht besonders, oder? Wenn die Pacht pro Hektar bei 400 Euro liegt und man davon noch die Grundsteuer abziehen muss, dann bleibt doch auch nicht so viel uebrig, oder?

Naja, wahrscheinlich kann man in der (Neben)Landwirtschaft nur noch Geld verdienen, wo viel Handarbeit gefragt ist, oder? Ich habe letztens erfahren, dass Beeren (Erdbeeren, Himbeeren, usw.) noch einigermassen gut gehen, da hier noch die Handarbeit hoch liegt und deswgen der Preis pro Kg auch zu ertragen ist.

Was denkt ihr? In welchen Bereichen laesst sich noch einigermassen was mit den Kleinflaechen anstellen?

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Thomas/V.
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Re: Extensivhaltung Rinder - Lohnt sich das?

#6

Beitrag von Thomas/V. » So 29. Sep 2013, 23:20

Wenn Du selbst vermarkten kannst, im Wirtshaus z.B., dann könntest Du evtl. mit kleineren Mengen an Hühnern, Geflügel und Schafen oder Ziegen was verdienen?
Auch Obst und Gemüse. neben dem Gastronomiebetrieb noch nen kleinen Laden?
Sowas hab ich mal bei einem Ausflug gesehen, in der Thiersheimer Gegend. Bio-Rinder, Ausflugs-Gasthof, Zimmervermietung, Metzgereiladen.
Also aus dem eigenen Grundstück auf den Teller, in Bio-Qualität. Sowas könnte ich mir vorstellen.
Also nicht auf eine bestimmte Tier-oder Pflanzenart spezialisieren, sondern auf die Vermarktung der eigenen, selbst erzeugten Vielfalt?
Lassen sie mich durch, mein Bruder ist Arzt!

Benutzer 2354 gelöscht

Re: Extensivhaltung Rinder - Lohnt sich das?

#7

Beitrag von Benutzer 2354 gelöscht » Mo 30. Sep 2013, 06:00

10 ha Erdbeeren sind dann im Sommer kein Nebenerwerb mehr :) Aronia ,Holunder weniger Arbeit und total trendy

Manfred

Re: Extensivhaltung Rinder - Lohnt sich das?

#8

Beitrag von Manfred » Mo 30. Sep 2013, 07:48

Die Grundsteuer sind ja, je nach Hebesatz der Gemeinde, nur ein paar Euro.
Und wenn die Flächen verpachtet sind, brauchst du keine Berufsgenossenschaft zu bezahlen.
400 Euro pro ha ist mehr als der Deckungsbeitrag aller üblichen Ackerfrüchte und mehr als mit der Mutterkuhhaltung zu holen ist sowieso.
Wenn du Englisch kannst, lies dir mal das Buch "You can farm" von Joel Salatin durch. Evtl. findest du da was passendes für dich.

Sonderkulturen sind auch eine Möglichkeit, aber sehr arbeits- und teilweise auch investitionsintensiv, so dass am Ende pro Arbeitsstunde auch nicht mehr bleibt als bei anderen Formen der Landwirtschaft. Und die Arbeitsspitzen sind idR nicht ohne Hilfskräfte oder Spezialmaschinen zu bewältigen, wenn man es nicht wirklich klein hält.
Ich würde mich im ersten Ansatz auf das konzentrieren, was ihr in der eigenen Gaststätte bewerben und vermarkten könnt.
Eine Mischwirtschaft aus Mutterkuhhaltung für die Flächenpflege und Geflügelhaltung (Hähnchen, Legehennen, Puten (in D evtl. alternativ oder zusätzlich Gänse), alles in überschaubaren Einheiten in Mobilställen) für den Gewinn, so wie Joel es betriebt, könnte evtl. die Lösung sein. Freilandschweine würden für ein Wirtshaus gut passen.
Wenn ihr Flächen direkt am Gasthaus habt, ist Freilandhaltung verschiedener Tierarten ein Besuchermagnet, gerade für Familien mit Kindern.
Und wenn die Flächen nicht am Haus sind, bleiben sie trotzdem ein werbeträchtiger Hingucker. Dann müssen halt Schilder an den Feldern auf eure Gaststätte verweisen.
Natürlich kann man die Tierhaltung mit Sonderkulturen mischen. Eigener Apfelsaft und Apfelmost, Quittenspezialitäten, Maronigerichte für den Winter, Holundersekt, -Küchlein, -Saft, ein großer Kräutergarten für die Küche, Salate die man im Großhandel nicht zu kaufen kriegt, aromatische bunte Tomaten aus dem eigenen Gewächshaus, Grünspargel... Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Und eine Gaststätte mit saisonalen Angeboten aus eigener Produktion kann sich bei geschickter Vermarktung deutlich von der Konkurrenz absetzen.
Und bei aller Liebe zur Landwirtschaft nie das kühle Rechnen vergessen. Was sich nicht rechnet lieber wieder aufgeben und neue Lösungen suchen.
Aus 10 ha kann man so einen Vollzeitjob machen. Aber der Stundenlohn in der Landwirtschaft wird immer niedrig bleiben. Wirklich rentieren tut sich das nur, wenn ihr in der Gastronomie daraus einen entsprechenden Mehrwert generieren könnt, sprich wenn ihr mehr Gäste anlockt und höhere Preise und damit auch Gewinne erzielt.

aenas
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Re: Extensivhaltung Rinder - Lohnt sich das?

#9

Beitrag von aenas » Mo 30. Sep 2013, 16:04

Danke fuer die tollen Antworten!

Ja, es gibt tatsaechlich unglaublich viele Moeglichkeiten Landwirtschaft zu betreiben, speziell mit der Moeglichkeit der Eigenvermarktung!

Wir machen auch schon einiges: Eigene Aepfel, Erdaepfel, Wild, Schinken, Wurst, Freilandschweine, Gemuese, Kraeuter und ein bisschen Kleintierhaltung.

Das alles kommt auch sehr gut an aber es ist nicht immer einfach alles zu beschriften. Das ist so, wie mit Strassenschildern. Richtig platzierte Schilder sind goldwert! Meistens ist es aber so, dass es zu viele sind und es mehr Verwirrung stiftet als alles andere... Das selbe mit Eigenvermarktung! Zu viele Verweisse auf Selbstherstellung ist einfach zu unuebersichtlich! Gute Selbstvermarktung ist extrem schwierig. Beste Vermarktung ist immer noch Mund-zu-Mund Propaganda! Das allerdings erfordert viel Zeit und koennen sich v.a. kleine Unternehmen selten leisten...

naja, auf jeden Fall danke fuer eure Tipps!

Aber die eine Frage bleibt noch: Kann man theoretisch ueberhaupt Viehweiden betreiben, wenn das Klima im Sommer sehr trocken ist? Ich denke das funktioniert kaum, oder? Wenn das Gras im Sommer nicht gut waechst, dann haben die Viecher auch nichts zu knappern...

p.s. eine andere Idee ist immer noch neue nussbaeume mit Obstbaeumen auf einem sued-ausgerichteten Feld zu pflanzen. Das wuerde mich noch als Alternative interessieren. Die Frage ist natuerlich welche nussbaeume taugen bei uns was? Mein Traum waere natuerlich Maroni aber ob das Klima bei uns in Mitteldeutschland schon (oder in Zukunft) warm genug sein wird, ist ne andere Frage... nussbaeume sind bei uns ja v.a. Walnuss und Haselnuss. Gibt es noch andere leckere nusssorten fuer Deutschland? Wahrscheinlich falsches Forum dafuer...

Manfred

Re: Extensivhaltung Rinder - Lohnt sich das?

#10

Beitrag von Manfred » Mo 30. Sep 2013, 16:38

Dann seit ihr ja schon gut aufgestellt und könnt nach Wunsch und Bedarf erweitern.
Musst ja auch nicht alles Ackerland auf einen Schlag zurück nehmen, sondern kannst einen Teil weiter verpachten.

Weidehaltung bei Sommertrockenheit geht natürlich. Ist halt eine Frage des Weidemanagements. Wenn der Sommer trocken ist, muss man im Frühjahr halt genug Gras stehen lassen.
Natürlich klappt das nicht immer. Mit ist dieses Jahr im Spätsommer auch der Weideaufwuchs knapp geworden und ich musste Heu zufüttern. Jetzt nach dem Regen wächst es wieder und die Tiere sehen die aufgestellten Heuballen nicht mehr an, weil sie lieber das junge Gras fressen. Natürlich soll auch nicht zu viel Futter überständig werden. Da muss man sich einfach ran tasten.
Gibt ja Regionen auf der Erde, wo es nur alle paar Jahre mal kräftig regnet und trotzdem Rinder gehalten werden. Halt mit entsprechend niedriger Besatzdichte. Die leben dann mehrere Jahre nur vom alten, eingetrockneten Gras.
Zunahmen wie in der Intensivmast kann man dann natürlich nicht erwarten.
Aus der richtigen Weideführung kann man eine echten Wissenschaft machen. Das kostet aber Arbeitszeit und lohnt bei Milchvieh oder großen Mutterkuhherden eher als bei so einem Kleinbetrieb.
In Neuseeland messen viele Betriebe regelmäßig den Grasaufwuchs mit einem speziellen Messgerät:
http://www.farmersguardian.com/home/liv ... 47.article
Die Kunststoffplatte wird mit einer definierten Kraft auf das Gras gedrückt und aus der verbleibenden Grashöhe die Grashöhe- und Dichte und damit der Futteraufwuchs ermittelt. Man läuft mit dem Ding über die Fläche und misst an diversen Stellen, um ein mögl. gutes Durchschnittsergebnis zu erhalten.
Mit diesen Daten und der Langzeitwetterprognose wird dann bestimmt, wie viel Futter konserviert oder zugefüttert werden muss, um die Weide in der optimalen Aufwuchshöhe (Mischung aus Zuwachs und Futterwert) zu halten.

Nachtrag:
Das Thema Nüsse ist spannend. Finde auch, dass dazu ein eigener Thread eröffnet werden sollte.

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