Tomaten ausgeizen?

Benutzer 72 gelöscht

Tomaten ausgeizen?

#1

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Fr 17. Feb 2012, 22:45

hallo!

Nachdem ich Stieglitzens interessante Videos über "Tomaten ansähen" angeschaut hab, klickte ich mich weiter und kam zu diesen zwei sehr widersprüchlichen Aussagen:
Ausgeizen Pro und Contra ...

Was denkt ihr darüber?
ist es nötig oder ist es womöglich sogar schädlich seine Tomaten auszugeizen??

(warum ich frage: ich hab das bisher kaum getan)

liebe Grüße!

Seppel
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Re: Tomaten ausgeizen?

#2

Beitrag von Seppel » Sa 18. Feb 2012, 05:13

Es stimmt schon, dass jede Verletzung der Pflanze Eintrittspforten für Schadorganismen schafft. Doch wenn früh und zur richtigen Zeit ausgegeizt wird, ist die Stelle sehr klein und wächst schnell wieder ein. Eigentlich macht man das Ausgeizen, um einen Hauptrieb zu fördern. Ohne die Maßnahme werden die Pflanzen sehr buschig und können sich selbst schlecht halten. Viele hochgezüchtete Sorten brechen dann einfach auseinander. Natürlich gibt es auch Buschtomaten und Sorten, bei denen das Ganze anders aussieht. Wenn die Pflanze in alle Richtungen frei wachsen kann, geht auch die Energie in alle Richtungen. Das heißt, es werden viele Blüten und Früchte fernab vom Haupttrieb gebildet. Nur reicht die Vegetationsperiode bei uns meist nicht aus, dass alle gebildeten Früchte auch reif werden. Ein bisschen kannst du es auch mit der Fruchtausdünnung bei Kernobst vergleichen.

hobbygaertnerin
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Re: Tomaten ausgeizen?

#3

Beitrag von hobbygaertnerin » Sa 18. Feb 2012, 07:43

Es kommt auch auf die Sorten an, Balkon- und Buschtomaten geize ich nicht aus,
bei den hochwachsenden Sorten hab ich jedes Jahr eine Pflanze nicht, die anderen ausgegeizt.
Die nicht ausgegeizte Pflanze kann bis zu 30 Fruchtstände bilden, es dauert nur länger, bis sie reif werden, mich fasziniert jedes Jahr die Intelligenz der Tomatenpflanze in Bezug auf den Reifungsporzess ihrer Früchte, zumdem muss die Versorgung dann noch besser sein. In der Natur würden die Tomatenpflanzen am Boden viel mehr Wurzelmasse bilden können, weil sie nicht nur die Blattachseln, sondern dort auch Wurzeln bilden würde.
Ich hab vor einiger Zeit einen Film über den "Kaiser der Paradeiser" gesehen, der lässt die Tomaten am Boden wachsen, geizt sie nicht aus, allerdings ist das ein anderes klimatisches Gebiet mit anderen Bedingungen.

Manfred

Re: Tomaten ausgeizen?

#4

Beitrag von Manfred » Sa 18. Feb 2012, 08:35

Genau. Es hängt von der Sorte, den Bedingungen und dem Ertragsziel des Gärtners ab.
Das im 2. Link oben ist Erich Stekovics, der Paradeiser-Kaiser.
Der hat aber pannonisches Klima und dazu eine windoffene Lage, in der Tau morgens sehr schnell abtrocknet, wenn er überhaupt in nennenswerten Mengen auftritt. D.h. ideales Tomatenklima mit minimalem Braunfäulerisiko. Er baut fast alles in Freiland an, nur wenige in den gezeigten Gewächshäusern.
Außerdem will seine Kundschaft eine Vielfalt an Form und Farbe (er drüfte eine der größten Tomatensortensammlungen der Welt haben) und hat keine Probleme mit kleinen Macken.
So gesehen ist dieses extensive Anbauverfahren ideal für ihn. Einach mal nach seinem Namen bei Youtube suchen. Irgendwo war auch eines mit einer Führung über seine Tomatenfelder zur Erntezeit.




In der Form werden auch die Konserventomaten im trockenen Süden angebaut. Im Freiland liegend auf dem Acker. Die Ernte erfolgt im Großanbau maschinell in einem Durchgang.



Das andere Extrem ist der Intensivanbau in widrigem Klima im geheizten Gewächshaus, siehe Holland. Dort werden die Sorten auf starkwüchsige Unterlagen veredelt, die Erziehung erfolgt eintriebig durch konsequentes Ausbrechen. Die Zahl der Früchte pro Fruchtstand wird begrenzt und die Blätter um die Fruchtstände werden nach und nach entfernt, auch wegen des Krankheitsrisikos durch anwelkende Blätter. Ziel dieser intensiven "Wartung" der Pflanzen sind mögl. gleichmäßige und optisch sehr gute Früchte für den Frischmarkt.

Für Hobbygärtner ist je nach Standort und Sorten zwischen den zwei Extremen so ziemlich alles möglich. Als Einschränkung kommt die relativ kurze Vegetationsphase dazu, wenn man kein beheiztes Gewächshaus, nur ein Tomatendach oder evtl. gar keinen Schutz hat.
In den kühleren Gegenden ist das Zeil, die Pflanze mögl. früh in Frucht zu bringen und das sichere Ausreifen von mögl. vielen Früchten zu ermöglichen. Das heißt in der Praxis, dass man die Sorten eintriebig erzieht und nur 5 bis 6 Fruchtstände zulässt, weil später angesetzte Früchte meist nicht mehr ausreifen. Wird die Pflanze 2 oder 3 Blätter über dem letzten Fruchtstand gekappt, steckt die Pflanze mehr Energie in die letzten Früchte, weil sie weniger fürs Wachstum braucht. Außerdem mindert der luftige Aufbau der eintriebigen Pflanzen das Risiko von Pilzinfektionen.
Wer gutes Wein- und Gemüsebauklima hat, hat natürlich erweiterte Möglichkeiten.
Dazu kommen Ausnahmen wie Busch- und Ampeltomatensorten, die ohne Ausgeizen oder mit reduziertem Ausgeizen bessere Erträge liefern.
Früchte wird fast jeder ernten. Den besten Ertrag hat man immer, wenn man das Verfahren für die jeweiligen Voraussetzungen optimiert. Am Ende muss jeder selber experimentieren und entscheiden.

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Re: Tomaten ausgeizen?

#5

Beitrag von kraut_ruebe » Sa 18. Feb 2012, 10:15

ich hab das voriges jahr 'ausprobiert' indem ich mir die zeit für die pflege der paradeiserpflanzen nicht genommen hab.

ausgansbasis: stekovics-klima, was bedeutet dass paradeiser hier sowas wie unkraut und quasi nicht kaputtzukriegen sind ;)

ich hatte mein basis-programm, d.h. diverse unterschiedliche 'alte' sorten, der einzige unterschied zu sonst war in dem punkt, dass nur eine selbstgezogen war und der rest zur hälfte gekaufte bio-pflanzen und zur hälfte gekaufte stekovics-pflanzen waren, am ergebnis war da aber nix zu merken an den gekauften pflanzen gabs nix zu meckern. der sommer war 'normal' - nicht zu trocken, nicht zu nass.

ich hab die pflanzen eine woche nach den eisheiligen rausgepflanzt und dann damit nix mehr gemacht, auch nicht hochgebunden. das einzige zutun von mir war mulchen mit rasenschnitt, damit reguliere ich den unkrautdruck und am rande hat auch die pflanze was von. giessen oder düngen mach ich sowieso nie, mein bodenkreislauf stimmt und wasser kommt von zeit zu zeit von oben.

quintessenz daraus: für die nicht so wüchsigen sorten reicht das nicht wirklich aus. die buschig wachsenden sorten sehen wild aus, haben mehr tendenz zu braunfäule (hab ich hier sonst kaum jemals), tragen aber genauso wie sonst auch.

'sonst auch' bedeutet bei mir, hin und wieder regulierend einzugreifen.

wenns zu buschig wird geize ich aus und kappe auch schonmal die spitze am saisonhöhepunkt, breche blütenrispen weg wenn die pflanze so aussieht als ob sie unter der zukünftigen last zusammenbrechen würde. und ich breche die untersten blätter weg, damit die sonne drankommt.
schlussfolgerung: dadurch bleibt die pflanze luftiger und beschattet sich nicht so sehr selbst, bleibt oberirdisch trockener und hält sich somit die braunfäule weitgehend vom leib, was für die weitervermehrung mir nicht unwichtig ist.

die sorten, die von natur aus nicht so fröhlich vor sich hin wachsen, binde ich sonst hoch für besseren lichteinfall und geize in der ersten wachstumshälfte öfter mal aus. das hilft eindeutig weiter um zu einem zeitnahen erwachsenenstadium zu verhelfen, die kraft der pflanze wird nicht für zu viele seitenäste verbraucht. ungepflegt kümmern die mehr so vor sich hin, produzieren zwar ein paar früchte sehen aber arm aus. krankheitsanfällig werden die nicht, da entsteht keine grosse blattmasse die einen nährboden schafft.

für mich ergibt das folgendes fazit: ein bisschen ausgeizen hat schon seinen sinn. würden die paradeiser wild wachsen, würde sicher auch das eine oder andere abbrechen durch wind oder vorbeistreunende tiere oder zu schwere früchte und sich so selber regulieren.
There's a crack in everything. That's how the light gets in.

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Re: Tomaten ausgeizen?

#6

Beitrag von hobbygaertnerin » Sa 18. Feb 2012, 10:29

Hallo Manfred,
ich kann mir vorstellen, dass diese Art des Trockenanbaues von Tomaten in bestimmten klimatischen Bedingungen funktionert.
Wenn ich nicht ganz falsch liege, dann kommt die Tomate und die Kartoffeln aus den Anden, unser Waschküchenwetter, die vielen Niederschläge im Sommer scheinen den Tomaten im Freiland den Garaus zu machen.
Vor 3o Jahren waren die Tomaten eher im Freiland, an normalen Holzpfosten angebunden, die Tomaten hätten sich in den bäuerlichen Gärten nie durchgesetzt, wenn sie so mimosenhaft wie jetzt erschienen wären. Selbst die als schwierig und empfindlich gesehenen Papirka und Auberginenpflanzen kommen mit dem Bediungen im Freiland wesentlich besser zurecht.
Da wurde jede Tomatenstaude auf 5-6 Fruchtansätze getrimmt und ohne grosses Prozedere ausgegeizt.
Inzwischen ist der Anbau und die Kultur von Tomaten fast eine Wissenschaft für sich geworden- die Auswahl an Sorten ist inzwischen unübersehbar geworden, die Kultur und Düngeratschläge ebenso.
Ich würde zu gerne wissen, wie die Tomaten in ihrem Ursprungsland kultiviert wurden und werden.
Den Traum von Tomaten draussen unter freiem Himmel hab ich mir jetzt und absolut endgültig verboten, macht nur Arbeit und 2 kalte regnerische Tage machen die ganze Arbeit zunichte.
Egal ob die Pflanzen ausgegeizt wurden oder nicht, ohne Kopfbedeckung der Tomatenpflanzen schlägt die Braunfäule erbarmungslos zu.
In diesem Tomatenjahr kommt bei mir eine Sorte, die für Alaska gezüchtet worden ist, zum Zuge, auf das Ergebnis bin ich sehr neugierig. Für warme Sommertag hab ich Sorten aus dem Süden, so versuch ich mit dem Klimawandel mitzukommen.
Gruss
hobbygaertnerin

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Re: Tomaten ausgeizen?

#7

Beitrag von Thomas/V. » Sa 18. Feb 2012, 10:35

ich sehe es wie Manfred

hin und wieder ist es passiert, das ich einen Geiztrieb übersehen habe und der schon 1m lang war
der hatte aber wegen Lichtmangel auf der Länge dann auch nur 1 Blütenstand ausgebildet, während der Haupttrieb 2 oder 3 auf gleicher Länge ausbildet
systematisch alles wild wachsen lassen funktiononiert sicher nur im trocken-warmen Klima mit Wind
selbst meine Buschtomaten sind 3x unter den Lasten der noch grünen Früchte auseinandergebrochen und verfault, ehe ich was nennenswertes ernten konnte, nur einmal, als es ein sehr langer warmer und trockener Sommer war, hat sich der Anbau gelohnt, weil sie trotz Auseinanderbrechen gesund geblieben sind und weitergewachsen sind (Wunden konnten sehr schnell vertrocknen und sich schließen)
in den letzten Jahren habe ich die Buschtomaten auch mal an Stöcke angebunden, trotzdem sind immer Zweige abgebrochen, auch ist das Gebüsch viel zu dicht, um schnell abzutrocken, und mal Giesen, ohne die Blätter naß zu machen ist auch schwierig, wenn die Pflanze weit entwickelt ist

also, ich bleibe auf alle Fälle beim Ausgeizen, in meinem Klima macht alles andere keinen SInn
Lassen sie mich durch, mein Bruder ist Arzt!

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Dieter
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Re: Tomaten ausgeizen?

#8

Beitrag von Dieter » Sa 18. Feb 2012, 11:14

ina maka hat geschrieben:hallo!

Nachdem ich Stieglitzens interessante Videos über "Tomaten ansähen" angeschaut hab, klickte ich mich weiter und kam zu diesen zwei sehr widersprüchlichen Aussagen:
Ausgeizen Pro und Contra ...

Was denkt ihr darüber?
ist es nötig oder ist es womöglich sogar schädlich seine Tomaten auszugeizen??

(warum ich frage: ich hab das bisher kaum getan)

liebe Grüße!

Ich habe nie Ausgeizt und seit Jahren immer mehr Tomaten geerntet als ich Selbst verbrauchen konnte.
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Re: Tomaten ausgeizen?

#9

Beitrag von Olaf » Sa 18. Feb 2012, 11:25

Moin,
vor viele Jahren hatt ich mal ne "Wildsorte". Davon hab ich meinem Exschwiegervater paar Pflanzen abgegeben. Ich hab sie, so wies da stand nicht ausgegeizt und im Tomatenhaus gepflanzt. Er hat sie akribisch nach Kleingärtnermanier ausgegeizt und im Freiland gahabt. Ich hatte natürlich viel mehr Früchte, johannisbeerartig in Trauben, so max. 1 cm Durchmesser, er hatte weniger, aber dafür so 3 cm Durchmesser. Ich denke, sein Ertrag war besser und natürlich viel handlicher zu ernten.
Ich ziehe auch immer ne stattliche Anzahl Balkontomaten, die stehen dann in Töpfen auf der überdachten Terasse, die werden nicht ausgegeizt, alles andere ja, wobei ich mich manchmal nicht beherrschen kann und kräftige Exemplare 2 oder gar 3-triebig erziehe.
LG
Olaf
Eigentlich bin ich ein netter Kerl.
Wenn ich Freunde hätte, könnten die das bestätigen.

Manfred

Re: Tomaten ausgeizen?

#10

Beitrag von Manfred » Sa 18. Feb 2012, 16:03

Meine Großmutter in Oberbayern (nähe Salzburg, gutes Klima) hat früher auch immer ohne Probleme ihre Tomaten ohne Überdachung an einem Holzzaun gezogen. Irgendwann hat es dann wegen Braunfäule nicht mehr richtig funktioniert. War wohl wie bei den Kartoffeln. Das ging auch so lange gut bis die Braunfäule sich auf sie eingeschossen hatte (wohl entsprechend mutiert ist) und dann war es vorbei. Siehe Hungersnöte in Irland.
Selbst in der Versuchsanstalt in Bamberg (die im Vergleich zu uns hier oben ein top Gemüseklima haben) machen sie seit Jahren Schutzdächer über die Tomaten, allerdings ohne Wände, damit ihnen im Sommer nicht zu heiß wird und damit sie schnell abtrocknen.
Hier bei uns im Frankenwald macht Tomatenanbau ohne Gewächshaus wenig Sinn. Höchstes mit Dach an einer Wand oder so.
Die paar Leute hier im Umkreis die gute Erträge haben, haben sie alle im Glas- oder Folienhaus.

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