Lieber Löwenzahn,
ich befürchte, dass du Recht hast.
Bis auf die letzten Sätze:
Kapitalismus funktioniert nun mal so. Da ist kein Platz für Romantik
Wenn man Geld als einzigen Wertmasstab akzeptiert, hast du auch da noch Recht.
"Den Kapitalismus" als gemeinsamen Nenner gibt es nicht, es gibt bloss gemeinsame oder unterschiedliche Interessen. Mein Freund wird morgen mein Feind sein, wenn er damit mehr Geld machen kann. Jeder gegen jeden kann kein Modell für eine zukunftsfähige Gesellschaft sein, und ein Naturgesetz ist es auch nicht. Das haben die Neodarwinisten aus dem von ihnen stets falsch zitierten Satz von Darwin "survival of the fittest" gemacht - korrekt übersetzt würde diese Stelle so ähnlich wie "im sich Behaupten gegen die Widerwärtigkeiten des Alltags" lauten, und daraus lässt sich viel besser eine kooperierende Gesellschaft mit gemeinsam definierten Zielen als ein Kampf jeder gegen jeden ableiten. Das war auch die Urform des menschlichen Zusammenlebens über Zehntausende von Jahren.
Unsere Taten müssen vor allem ein Ausdruck der Freiheit sein, sonst gleichen wir Rädern, die sich drehen, weil sie von außen dazu gezwungen werden. (Mark Twain)
Geld über alles andere stellen muss keiner, es wird bloss immer nur vorgeschoben. Auch die, welche mitmachen müssen, um zu überleben, haben noch Entscheidungsfreiheit, wenn sie nur wollen.
Was ist das denn für eine Gesellschaft, wo alle müssen, aber keiner will, und jeder betont, dass er nur Opfer ist? Was ist das für eine Berufsehre, wo man sich zwar als Unternehmer sieht, aber null unternehmerische Freiheit hat? Wo man Waren auf eine Weise erzeugt, die man selber nur vertreten kann, weil man muss? Lebt man fürs Geld oder braucht man Geld, um zu leben?
Oelkanne hat geschrieben:Es muss keiner in Deutschland normal erzeugte Lebensmittel kaufen,
dazu braucht es keinen eigenen Garten,
man muss nur in das andere Supermarktregal greifen.
gaaaaanz einfach.
So einfach ist das nicht, denn die Nachteile des hemmungslosen Chemikalieneinsatzes in der Nahrungsmittelproduktion treffen alle. Wäre dem nicht so und das Zeug wäre wirklich harmlos, dann wäre es ja egal.
Mit anderen Worten, ein Teil der Kosten der "normal" erzeugten Nahrungsmittel sind nicht im Warenpreis enthalten, sondern werden als Kollateralschaden der Allgemeinheit und den zukünftigen Generationen überlassen. Das funktioniert auch bei der Atomenergie und beim Billig-Flugverkehr so. Es ist trotzdem unfair.
(Es ist übrigens seltsam, dass eine Produktion von Nahrungsmitteln, die nur mit derart hohen Aufwandmengen von Kunstdünger und Agrochemikalien funktioniert, einfach mal als normal bezeichnet wird - normal wäre eigentlich etwas anderes).
Jede nicht nachhaltige Produktion von was auch immer ist eine Anleihe an die Umwelt und an die Zukunft, für die die Gesellschaft haftet. Gegen diese Art Trittbrettfahrerei kann eigentlich nur der Gesetzgeber an, und es ist eine seiner ureigensten Aufgaben, für alle gleiche Bedingungen zu schaffen und zu erhalten.
Deshalb müsste man auch die Einfuhr ausländischer Produkte verbieten, die unter Bedingungen oder mit Methoden hergestellt werden, die im Inland nicht zulässig sind, denn das ist unfaire Konkurrenz. Genau darum sind ja diese Welthandelsabkommen so faul, denn das wird darin ausgeschlossen. Zudem werden in diesen Handelsabkommen Koppelgeschäfte und Quersubventionen ausgeschnapst (wir lassen billiges Importfleisch rein, damit wir mehr Autos exportieren können), die auch wieder unfair sind.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.