blühende Wiese ?

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emil17
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Re: blühende Wiese ?

#21

Beitrag von emil17 » So 14. Okt 2012, 06:59

Manfred hat geschrieben: Genau dieser (einzig vernünftige) Gedanke setzt sich langsam auch in der Landwirtschaftsverwaltung und beim Naturschutz durch.
Hatte zum dem Thema anlässlich des diesjährigen Wiesenwettbewerbs einige Gespräche mit den Leuten vom Landesamt für Landwirtschaft.
Pauschale, landesweite Programme mit Schnittzeitpunkt- und Schnittzahlauflagen können niemals die optimale Pflege für den Eizelstandort erreichen.
Wir hatten dafür ein "schönes" Beispiel mit im Wettbewerb. Eine ehemals artenreiche Talwiese, die seit gut 10 Jahren durch ein Vertragsnaturschutzprogramm mit einem sehr späten Schnittzeitpunkt geschützt werden sollte. Das Ergebnis: Die Artenzahl hat sich deutlich reduziert, weil viele Arten durch den späten und nur einmaligen Schnitt einfach vom Konkurrenzbewuchs erstickt werden oder nicht genug Licht zum Keimen bekommen.
Vorher hatten die Bauern die Fläche über Generationen mit ständig wechselnden Schnittzeitpunkten mehrfach im Jahr genutzt und so ist die artenreiche Wiese erst entstanden. Dann kommt der gutmeindende Naturschutz und schützt die Artenvielfalt kaputt.
Es gibt eben hier wie da unfähige Leute: Bauern, die einfach Dünger draufhauen - viel hilft viel - , und Naturschutzleute, die Wiesen nicht vom Bewirtschaftungsstandpunkt her kennen. Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut. Ich war immer schon der Meinung, wer in einem Naturschutzamt auf das Publikum losgelassen werden soll, muss vorher mindestens ein Jahr in der Landwirtschaft mitgearbeitet haben, und zwar bei einem Landwirt. Die Landbevölkerung war immer schon da, die Akademiker sollen sich bemühen.
Kommt dazu, dass die reicheren Bauern aus dem ebenen Land schon lange hoch ertragreiche Kunstwiesen gemacht haben. Die mit dem steilen, mageren Land haben noch ein paar Blümchen drin und werden nun auch noch durch Bewirtschaftungsauflagen und mehr Schreibereien bestraft. Ob das die paar Euros pro Hektar Zulagen aufwiegen?
Manfred hat geschrieben: Für eine magere Bergwiese mag so eine Pflegeauflage optimal sein. Für von natur aus nährstoffreichere Schwemmland-Talböden passt sie einfach nicht. Aber es gibt nur ein Programm fürs ganze Bundesland, dass überall passen soll ...
... und oft werden die Schnittzeitpunkte stur sogar in der Verodrnung festgelegt. "Frühestens 15. Juli" macht eben keinen Sinn, wenn das Frühjahr nass ist und schon Ende Juni alles liegt. Nur, bis diese Erkenntnis, die für einen Landwirt viel logischer ist als für einen beamteten Juristen, den Weg in eine bessere Verordnung gefunden hat, braucht es eben Zeit.
Manfred hat geschrieben:Deswegen wird seit einiger Zeit nach Möglichkeiten gesucht, die Artenvielfalt selbst als Bewirtschaftungskriterium zu bewerten.
Eine regelmäßige Komplettaufnahme der Arten ist sehr arbeitsaufwändig, erfordert Spezialisten und ist damit in der Fläche einfach viel zu teuer.
Es gäbe da die Möglichkeit, dass die Leute, welche die wichtigsten und einfachen Arten kennen sollten, die anderen zum Bestimmen einsenden können, weil für den teuren Spezialisten vor allem die Anreisen zum Ort viel Zeit braucht. Übrigens wird für eine Juristenstunde wesentlich mehr bezahlt als für eine Feldbiologenstunde.
Manfred hat geschrieben:Die Idee ist deshalb, mit Zeigerarten zu arbeiten. Man wählt z.B. 50 typische und häufige Zeigerarten aus, die aber jeweils für ganze Standorttypen und Artenspektren typisch sind.
Wenn man dann auf einer Wiese z.B. 10 dieser Arten entdeckt, kann man anhand dieser 10 Arten abschätzen, wie viele Arten insgesamt auf der Fläche vorkommen.
"Leider" sind viele dieser Zeigerarten Gräser, Seggen, Labkräuter, gelbblühende Korbblütler und so Zeug, was für die meisten gewöhnlichen Leute nicht sicher erkennbar ist.
Manfred hat geschrieben:Der Bauer kann dann eine Fläche anmelden, die Artenzahl wird abgeschätzt und er kann die Fläche nach den seines Erachtens optimalen Bedingungen bewirtschaften und bekommt dann Geld, wenn die Artenzahl erhalten bleibt oder sogar steigt.
Hauptnachteil: Ein gleichmässiges Durcheinander auf grosser Fläche ist selten und untypisch. Mit der Zeigerartenmethode misst man aber nur die Artenzahl auf einer kleinen Fläche.
Es macht nur Sinn, wenn man Zielarten festlegt: Wenn ich in meiner ehemaligen Kunstwiese nun auch noch Ampfer, Brennesseln und Zackenschote habe, sind das auch drei Arten mehr. Wenn du gar nichts machst, also nicht mal mehr mähen, nimmt die Artenzahl zunächst ebenfalls zu. Das will aber im Dauergrünland keiner mit Geld fördern. In sehr mageren Flächen nimmt die Artenzahl bei nachlässiger Bewirtschaftung zu, weil Allerweltsarten eindringen. Das will man auch nicht. Es braucht also auch eine Liste der Arten, deren Präsenz Abzug gibt. Dann will man zwar Schlehe in der Hecke und am Waldrand, aber nicht in der Wiese selber. Zählt das auch, und wenn ja, wie? Für den Bewirtschafter alles logisch, für den Juristen, der die Verordnung ausarbeiten muss, die dann entscheidet, ob es Geld gibt oder nicht und wieviel, schwer zu begreifen - ellenlange und komplizierte Ausführungsgesetzgebung bei der Förderung von Biodiversität sind aber schwer kommunizierbar, lies für gewöhnliche Leute unverständlich.

Sowieso hat eine blühende Wiese, auch wenn sie relativ artenarm ist, einen ästhetischen Wert. Wenn du z.B. eine relativ feuchte und saure Wiese hast, die viel Kuckukslichtnelke hat, ist die viel schöner und daher ebenso wertvoll wie irgend ein furztrockener Steppenrasen mit 10 Schwingel- und Seggenarten, die für Laien alle gleich aussehen. Auch wenn Du "nur" viel Glatthafer, Margerite, Salbei, Witwenblume, Wiesenbocksbart und Flockenblume hast, gibt das sehr schöne Wiesen, obwohl nichts davon selten ist.
Anders gesagt, wenn Du in einer ausgeräumten Maislandschaft einen Hochstamm-Obstgarten auf Dauergrünland anlegst, ist das vielleicht eine bessere Tat, als wenn du in einer sowieso schon sehr reichen Wiese noch eine Art mehr einbringst.
Das Problem des Gesetzgebers ist folgendes: Sich den Schutzzielen zu nähern mit Landwirten, die sich nur für den Ertrag in Tonnen Heu pro Hektar interessieren. Viele Landwirte kommen zum Schluss, sei es aus Ignoranz oder aus Erfahrung, dass es einfacher ist, auch zu düngen, wenn man schon hinfährt zum mähen, den Ertrag zu optimieren und mit dem Naturschutzamt nichts zu tun zu haben. Denn verfüttern kannst Du nur, was in der Scheune ist. Wenns schön blüht aber nix abträgt und du jedes Jahr um den Mähtermin feilschen musst, lässt du es halt bleiben.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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