SV in "Slow Motion"
Verfasst: Mo 16. Apr 2012, 11:47
Na, dann will ich auch mal...
Die Vorgeschichte: seit 2003 war ich als Mieter in dem Haus, irgendwann kam ich zu der Erkenntnis, daß Haus und Grundstück gar nicht so übel wären, wenn nicht immer zu unpassendsten Zeiten der Vermieter hier herumgeistern würde. 2008 wurde dieses Problem behoben und wir waren stolze Besitzer eines Fachwerkhauses im 70er-Jahre-Retro-Stil (Ölofen, Fachwerk mit Rigips zugemacht) und einem Garten, gegen den jeder Friedhof fröhlich wirkte: Fichte, Eibe, Thuja, Efeu – und wehe, ein Gänseblümchen zeigte sich… Es gab wirklich kein einziges Blumenbeet hier!
Als erste Amtshandlung meuchelte ich die über stockwerkhohe Eibenhecke vor der Terrasse, später wurde ein kleines Gemüsebeet angelegt. Zu der Zeit bin ich auch über das alte SV-Forum gestolpert.
Wir haben hier knapp 2000 m² Grundstück, was zur Folge hatte, daß ich jedes spannende Samentütchen heimschleppte – wurde halt ein neues Beet angelegt, wieder ein paar Quadratmeter Rasen weniger zu mähen. Der Gemüsegarten erinnerte bißchen an ein Tetris-Spiel, die Beete nach Bedarf drangesetzt, Wege mal mit Gehwegplatten, mal mit Brettern als flexible Lösung angelegt.
Im Frühjahr wird der Mensch meistens buddelwütig, ab April war ich arbeitsbedingt von Montag bis Freitag nicht zu Hause. Für einen Gemüsegarten ist das natürlich blöd, bei Abfahrt war die Tomate noch unreif, Freitagabend war sie geplatzt. Aber Spaß hatte ich trotzdem, Zucchini und Kartoffeln sind pflegeleicht, auch der Pflücksalat war recht gutmütig für meine Zwecke.
Im Sommer 2010 wurde ich dann wegen chronischer Leukämie (CML) aus dem Verkehr gezogen. Im Krankenhaus mußte ich nur 1 Woche bleiben, durfte aber danach keinen Handschlag tun, weil meine Milz bis ins Becken runter reichte und bei einer falschen Bewegung gerissen wäre.
Tolle Ironie: endlich bin ich mal vor Ort, und trotzdem darf ich zuschauen, wie der Garten vom Unkraut regiert wird. Als ich mich wieder bewegen durfte, war es Herbst und das Gestrüpp stand kniehoch auf den Gemüsebeeten.
Aber im nächsten Jahr wird alles besser. Ab Januar plante ich munter vor mich hin, Samenkörnchen aller Art wurden bestellt und eine neue, bessere Beeteinteilung ausgedacht.
Ein Frühbeet wurde eingeweiht, auf den Fensterbänken standen Jungpflanzen, ich wollte endlich mal richtig professionell Gemüse ziehen.
Ab Mai versuchte ich wieder zu arbeiten und nix war´s mit der Gartenarbeit – nach 4 Stunden Arbeit lag ich platt auf der Couch. „Eigentlich“ wäre die CML kein Problem, sagten die Ärzte, man nimmt seine Tabletten und geht wieder zur Tagesordnung über. Dummerweise bin ich der Sonderfall, die Medikamente wirken wesentlich langsamer, und ich bin absolut nicht alltagstauglich. Wenn ich zuviel gemacht habe (und das kann z.B. schon ein gemütliches Kaffeetrinken mit der Familie sein) fühlt sich das an, als wenn man eine echte Grippe hat und mit Gummiknien Richtung Bad schleicht. (Einmal kam ich auf die dumme Idee, das einfach zu ignorieren und weiterzumachen – nach ein paar Tagen verweigerten meine Knie komplett den Dienst und ich konnte mich grade noch mit Buch und Brennholz vor dem Ofen parken.)
Die Krankenkasse wurde langsam pissig, und wenn die Fortschritte mit Tabletten nicht im „Soll“ liegen, ist der nächste Schritt Stammzellentransplantation. Nicht grade mein Wunschziel, deshalb versuchte ich 10 Wochen lang, irgendwie zu arbeiten – buchstäblich bis zum Umfallen.
Mitte Juli mußte ich die Wiedereingliederung abbrechen, bis September brauchte ich, um mich von dieser Aktion einigermaßen zu erholen (wer daheim einen alten Akkuschrauber mit schlappem Akku hat: bei mir funktioniert das so ähnlich).
Und wieder sah mein Garten aus wie Sau… und die Wühlmaus hatte 98 % meiner Schwarzwurzeln gefressen!
Der Mensch ist ja lernfähig.
Gelernt hatte ich jetzt, daß ein Gemüsebeet null Toleranz hat bei Ausfallzeiten. In Zeitschriften über Gartengestaltung habe ich mir Ideen geholt, wie man Ordnung vortäuschen kann – mit Schnitthecken, Hochbeeten usw.
Daran arbeite ich jetzt – im Schneckentempo, mal mit Hilfe, mal ohne.
Momentan sieht man vor allem, was es nicht mehr gibt – die ersten Gemüsebeete wurden zu einem insektenerfreuenden Staudenbeet umfunktioniert (auch, um die Gourmetwühlmaus zu ärgern), weil sie jedem Besucher als erstes im Blickfeld waren. Ich hätte Wochen gebraucht, um die Pflanzen in die Erde zu bekommen, das Problem wurde von einer Bekannten gelöst, die grade von ihrem Garten geschieden wird – so war jedem geholfen.
(Wieder so ein Lerneffekt, ich war immer der, der als erstes mit Umzugskartons und großem Kombi auf der Matte stand – selber Hilfe angefordert hatte ich vorher nie.)
Der Gemüsegarten soll in Hochbeeten etwas nach hinten rücken, davor sitzen jetzt Johannisbeer- und Stachelbeersträucher, die hatten sich an ihrem alten Standort nicht wohl gefühlt und werden in ein paar Jahren hoffentlich eventuelles Chaos gnädig abschirmen.
Wie sich ja inzwischen herausstellte, sind hier im Forum noch einige „ausgebremste“ unterwegs. Vielleicht sind ein paar meiner Ideen (und/oder Pannen, daraus lernt man noch mehr) ja nützlich für andere Selbstversorger im Schildkröten-Modus.
Bevor es Mißverständnisse gibt: gute Ideen und Verbesserungsvorschläge sind jederzeit willkommen. Schlaue Sprüche zum Thema „Böse Schulmedizin… positiv denken, Aura bügeln und ein paar Kräuterchen tun´s auch“ höre ich mir nur von Leuten an, die auf diese Weise selber erfolgreich eine lebensbedrohliche Krankheit in den Griff bekommen haben.
Die Vorgeschichte: seit 2003 war ich als Mieter in dem Haus, irgendwann kam ich zu der Erkenntnis, daß Haus und Grundstück gar nicht so übel wären, wenn nicht immer zu unpassendsten Zeiten der Vermieter hier herumgeistern würde. 2008 wurde dieses Problem behoben und wir waren stolze Besitzer eines Fachwerkhauses im 70er-Jahre-Retro-Stil (Ölofen, Fachwerk mit Rigips zugemacht) und einem Garten, gegen den jeder Friedhof fröhlich wirkte: Fichte, Eibe, Thuja, Efeu – und wehe, ein Gänseblümchen zeigte sich… Es gab wirklich kein einziges Blumenbeet hier!

Als erste Amtshandlung meuchelte ich die über stockwerkhohe Eibenhecke vor der Terrasse, später wurde ein kleines Gemüsebeet angelegt. Zu der Zeit bin ich auch über das alte SV-Forum gestolpert.
Wir haben hier knapp 2000 m² Grundstück, was zur Folge hatte, daß ich jedes spannende Samentütchen heimschleppte – wurde halt ein neues Beet angelegt, wieder ein paar Quadratmeter Rasen weniger zu mähen. Der Gemüsegarten erinnerte bißchen an ein Tetris-Spiel, die Beete nach Bedarf drangesetzt, Wege mal mit Gehwegplatten, mal mit Brettern als flexible Lösung angelegt.
Im Frühjahr wird der Mensch meistens buddelwütig, ab April war ich arbeitsbedingt von Montag bis Freitag nicht zu Hause. Für einen Gemüsegarten ist das natürlich blöd, bei Abfahrt war die Tomate noch unreif, Freitagabend war sie geplatzt. Aber Spaß hatte ich trotzdem, Zucchini und Kartoffeln sind pflegeleicht, auch der Pflücksalat war recht gutmütig für meine Zwecke.
Im Sommer 2010 wurde ich dann wegen chronischer Leukämie (CML) aus dem Verkehr gezogen. Im Krankenhaus mußte ich nur 1 Woche bleiben, durfte aber danach keinen Handschlag tun, weil meine Milz bis ins Becken runter reichte und bei einer falschen Bewegung gerissen wäre.
Tolle Ironie: endlich bin ich mal vor Ort, und trotzdem darf ich zuschauen, wie der Garten vom Unkraut regiert wird. Als ich mich wieder bewegen durfte, war es Herbst und das Gestrüpp stand kniehoch auf den Gemüsebeeten.
Aber im nächsten Jahr wird alles besser. Ab Januar plante ich munter vor mich hin, Samenkörnchen aller Art wurden bestellt und eine neue, bessere Beeteinteilung ausgedacht.
Ein Frühbeet wurde eingeweiht, auf den Fensterbänken standen Jungpflanzen, ich wollte endlich mal richtig professionell Gemüse ziehen.
Ab Mai versuchte ich wieder zu arbeiten und nix war´s mit der Gartenarbeit – nach 4 Stunden Arbeit lag ich platt auf der Couch. „Eigentlich“ wäre die CML kein Problem, sagten die Ärzte, man nimmt seine Tabletten und geht wieder zur Tagesordnung über. Dummerweise bin ich der Sonderfall, die Medikamente wirken wesentlich langsamer, und ich bin absolut nicht alltagstauglich. Wenn ich zuviel gemacht habe (und das kann z.B. schon ein gemütliches Kaffeetrinken mit der Familie sein) fühlt sich das an, als wenn man eine echte Grippe hat und mit Gummiknien Richtung Bad schleicht. (Einmal kam ich auf die dumme Idee, das einfach zu ignorieren und weiterzumachen – nach ein paar Tagen verweigerten meine Knie komplett den Dienst und ich konnte mich grade noch mit Buch und Brennholz vor dem Ofen parken.)
Die Krankenkasse wurde langsam pissig, und wenn die Fortschritte mit Tabletten nicht im „Soll“ liegen, ist der nächste Schritt Stammzellentransplantation. Nicht grade mein Wunschziel, deshalb versuchte ich 10 Wochen lang, irgendwie zu arbeiten – buchstäblich bis zum Umfallen.
Mitte Juli mußte ich die Wiedereingliederung abbrechen, bis September brauchte ich, um mich von dieser Aktion einigermaßen zu erholen (wer daheim einen alten Akkuschrauber mit schlappem Akku hat: bei mir funktioniert das so ähnlich).
Und wieder sah mein Garten aus wie Sau… und die Wühlmaus hatte 98 % meiner Schwarzwurzeln gefressen!
Der Mensch ist ja lernfähig.
Gelernt hatte ich jetzt, daß ein Gemüsebeet null Toleranz hat bei Ausfallzeiten. In Zeitschriften über Gartengestaltung habe ich mir Ideen geholt, wie man Ordnung vortäuschen kann – mit Schnitthecken, Hochbeeten usw.
Daran arbeite ich jetzt – im Schneckentempo, mal mit Hilfe, mal ohne.
Momentan sieht man vor allem, was es nicht mehr gibt – die ersten Gemüsebeete wurden zu einem insektenerfreuenden Staudenbeet umfunktioniert (auch, um die Gourmetwühlmaus zu ärgern), weil sie jedem Besucher als erstes im Blickfeld waren. Ich hätte Wochen gebraucht, um die Pflanzen in die Erde zu bekommen, das Problem wurde von einer Bekannten gelöst, die grade von ihrem Garten geschieden wird – so war jedem geholfen.
(Wieder so ein Lerneffekt, ich war immer der, der als erstes mit Umzugskartons und großem Kombi auf der Matte stand – selber Hilfe angefordert hatte ich vorher nie.)
Der Gemüsegarten soll in Hochbeeten etwas nach hinten rücken, davor sitzen jetzt Johannisbeer- und Stachelbeersträucher, die hatten sich an ihrem alten Standort nicht wohl gefühlt und werden in ein paar Jahren hoffentlich eventuelles Chaos gnädig abschirmen.
Wie sich ja inzwischen herausstellte, sind hier im Forum noch einige „ausgebremste“ unterwegs. Vielleicht sind ein paar meiner Ideen (und/oder Pannen, daraus lernt man noch mehr) ja nützlich für andere Selbstversorger im Schildkröten-Modus.
Bevor es Mißverständnisse gibt: gute Ideen und Verbesserungsvorschläge sind jederzeit willkommen. Schlaue Sprüche zum Thema „Böse Schulmedizin… positiv denken, Aura bügeln und ein paar Kräuterchen tun´s auch“ höre ich mir nur von Leuten an, die auf diese Weise selber erfolgreich eine lebensbedrohliche Krankheit in den Griff bekommen haben.