Bom dia aus dem Süden von Minas Gerais, Brasilien

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Gesegnete Erde
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Wohnort: Aiuruoca, Minas Gerais, Brasilien. Klimazone10. 1200 - 1450m. ü. M

Bom dia aus dem Süden von Minas Gerais, Brasilien

#1

Beitrag von Gesegnete Erde » Sa 25. Feb 2012, 14:38

Guten Tag, liebe Forumsmitglieder,

seit nunmehr 15 Jahren lebe ich mit mehr als einem Bein in Rio de Janeiro. Das andere, kürzere Bein, war immer noch in Hamburg, wo ich, für wenige Monate im Jahr, die Gelegenheit wahrgenommen habe, noch ein Paar Brötchen zu verdienen.
Nachdem mein Jüngster die Deutsche Schule in Rio abgeschlossen hat, sind wir als Familie vor gut einem Jahr aufs Land gezogen, in das Städtchen Aiuruoca, in der Serra da Mantiqueira, einem parallel zur Küste verlaufenden Gebirgszug, zwischen Rio und Sao Paulo.
Unweit von Aiuruoca (Tupi indianisch: das Haus, in dem die Papageien wohnen) haben wir unser "Sitio Terra Abencoada" (Sitio: ein, für brasilianische Verhältnisse, kleineres Stück Land, welches man hier als Freizeitrefugium oder kleine Hofstelle nutzt).
Terra abencoada heißt: gesegnete Erde und als solche empfinde ich das Land jeden Tag aufs Neue, wenn die aufgehende Sonne die Kühle der Nacht vertreibt und ich meinen täglichen Erkundungsgang, in Begleitung unserer Hunde, beginne.
Wir haben Wasser im Überfluss, eigene Quellen ebenso, wie Bäche, die unser Sitio durchteilen oder es begrenzen. Die jährliche Niederschlagsmenge beträgt +- 2500mm, überwiegend während des Sommerhalbjahres (September - April). Die Jahresmittelteltemperatur liegt um 19°C. Klimazone 9 - 10. Zur Zeit (Sommer) liegt das Mittel der Tageshöchsttemperatur unter 30°C. Die Nächte im Winter können kalt sein und es gibt Tage, an denen das Thermometer in bestimmten Lagen am frühen Morgen die 0° Grenze unterschreitet.
Unser Land liegt etwa auf einer Höhe von 1250 - 1450 m. Die Größe beträgt ca. 35 ha.
Wir versuchen behutsam an die Bewirtschaftung heranzugehen. Ein Ziel ist die Selbstversorgung, ein anderes die Erhaltung der natürlich vorhandenen Gegebenheiten wie Wald, Feuchtgebiete und Lebensräume der endemisch vorkommenden Flora und Fauna.
Um den Begriff Permakultur kommen wir somit nicht herum und wir bemühen uns, ihn zu verstehen und umzusetzen.
Gepflanzt haben wir schon vieles: Eukalyptus und verschiedenen Bambus als Bauholz, 100 Olivenbäume, um zu sehen, ob der Olivenanbau
uns eine wirtschaftliche Grundlage bieten kann, unterschiedlichste Obstbäume, von Apfel über Jabuticaba (Myrcia cauliflora Berg - Baumstammkirsche) bis hin zur Mango. Nüsse (Peka-, Walnuss und Macadamia), Bananen, verschiedenste Beeren, Pinien, mit Kernen, die fast Kleinfingergroß sind (Araucaria angustifolia), diverse Kartoffelarten und im Garten natürlich (fast) alles, was in Deutschland auch wächst
neben den Gemüsen, die hier auf den heimischen Märkten angeboten werden.
Ausser Hunden und Katzen und den natürlich vorkommenden Arten, haben wir keine noch keine Tiere auf dem Sitio. Aber die ersten Bienenstöcke sind schon in Auftrag gegeben und nach einem Pferd - oder besser zwei? - suchen wir auch schon.
Bevor wir das Grundstück übernahmen, wurde es als Weideland für Milchkühe genutzt. Ein kleines Häuschen war schon vorhanden, welches wir um einen Raum erweitert haben. Bauvorschriften gibt es hier auf dem Land nicht, noch nicht einmal eine Bauanzeige wird verlangt.
Wir können absolut selbstbestimmt planen.
Soweit die Vorstellung.

Das Forum, in dem ich schon längere Zeit mitlese, gefällt mir ausserordentlich gut. Nicht nur durch die klare Gliederung und die Beiträge mit ihren informativen Inhalten, sondern auch durch den Ton und die Art und Weise, wie hier miteinander umgegangen wird. Das spricht unbedingt für die Mitglieder. Ich freue mich darauf, daran teilnehmen zu können.
Auf dem Land leben wir in einer strahlungsfreien Zone. Also kein Handyempfang und kein Internetzugang. In der Stadt habe ich aber Zugang und beizeiten werde ich versuchen unser Sitio in der Rubrik SV-Projekte vorzustellen.

Michael
Alles, was ist, ist gut, weil es ist.

hunsbuckler
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Re: Bom dia aus dem Süden von Minas Gerais, Brasilien

#2

Beitrag von hunsbuckler » So 26. Feb 2012, 00:01

Lieber Michael!

Einen herzlichen Willkommensgruß zu Deiner gesegneten Erde sende ich Dir aus dem Hunsrück!
Hier waren die Leute früher so arm, daß etliche vor dem Hunger nach Brasilien ausgewandert sind.
Das war damals noch mit echtem Wagemut und tränenreichem Abschied verbunden, da man davon ausgehen mußte, einander nie wiederzusehen!
Und vor den Zeiten des Internets konnte man froh sein, wenn Briefe im Laufe eines Jahres den Empfänger erreichten...
Noch heute gibts Ecken in Brasilien, wo Hunsrücker Dialekt gesprochen wird und dank der modernen Kommunikations+Verkehrsmittel haben sich die Kontakte auch wieder intensiviert...

Was war denn für Euch die Motivation, nach Brasilien auszuwandern?
Ist man dort als Einwanderer willkommen?
Könnt Ihr bald von Eurem Land leben, oder müßt ihr noch auf lange Sicht auswärts arbeiten?
Ich stelle mir vor, daß es nicht leicht ist, in einem Land Fuß zu fassen, in dem es neben extrem Reichen auch sehr viele Arme gibt...
Wie wirken eigentlich die hiesigen Regenwald-Kampagnen auf jemanden, der dort lebt?
Fühlen sich die Menschen dort nicht bevormundet von arroganten Europäern? ("Öko-Kolonialismus"?)
Gibt es in Eurer Region noch viele Indigene und wie ist das Verhältnis zu diesen?

So viele Fragen...
...ich weiß nicht, ob ich mir jemals eine Reise nach Südamerika werde leisten können, aber es muß ein großartiger Kontinent sein!

Deshalb freue ich mich sehr auf Eure Beiträge!

Euer Hans vom Hunsbuckel :)
Liebe Grüße, Hans www.jugendrettet.org

Gesegnete Erde
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Re: Bom dia aus dem Süden von Minas Gerais, Brasilien

#3

Beitrag von Gesegnete Erde » Mo 27. Feb 2012, 14:21

Lieber Hans, danke für die herzliche Begrüßung.

Viele Fragen.
In Kurzform sind das meine Antworten auf Deine oben gestellten Fragen:

Meine brasilianische Frau, die ich in Hamburg kennenlernte, als sie auf der Suche nach Vorfahren ihres deutschen Großvaters war, sagte mir eines Tages
während eines naßkalten Februartages, nachdem wir es gemeinsam schon 8 Jahre in Hamburg ausgehalten hatten, "noch ein Winter in Hamburg, und ich sterbe". Das wollte ich nun gar nicht und so haben wir, über den Umweg Portugal, nach Brasilien gefunden.

Brasilien ist ein Land, wo sich die Völker aller Kontinente versammelt und vermischt haben. Der Begriff "Alemao" hat einen hohen Stellenwert in Brasilien. Voreingenommenheit oder Ablehnung mir gegenüber als Ausländer, ist mir nicht begegnet. Ich denke, als Einwanderer ist man willkommen, aber man muss sich selber zurechtfinden, der Brasilianer greift einem nicht unter die Arme.

Um all unsere Nahrungsmittel vom eigenen Land zu bekommen, dauert es sicher noch einige Jahre. Die meisten Obstbäume brauchen noch Zeit, bis sie Ertrag bringen. An die Größen der Anbauflächen für lagerfähige Sachen, wie Bohnen, Mais, Kartoffeln, Getreide und Kaffee müssen wir uns erst herantasten.

Regenwaldkampagnen in Deutschland sind hier der allgemeinen Bevölkerung nicht bekannt. Es gibt sicherlich brasilianische NROs, die mit Organisationen wie, "Rettet den Regenwald" zusammenarbeiten.

Die Brasilianer sind stolz. Eine Bevormundung lassen sie sich nicht gefallen. Lula, sozialistischer Ex-Präsident, hat das den Amerikanern sehr deutlich zu verstehen gegeben. Die Europäer halten sich eher zurück.

Es gibt keine indigenen Gruppen mehr in unserer Region. Ein sehr dunkles Kapitel der brasilianischen Geschichte. Was geblieben ist, sind Flurbezeichnungen, Ortsnamen und Namen aus Flora und Fauna.

Wenn Du spars für einen Flug, bist Du herzlich bei uns willkommen.

LG
Michael
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zaches
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Re: Bom dia aus dem Süden von Minas Gerais, Brasilien

#4

Beitrag von zaches » Mo 27. Feb 2012, 15:54

Hallo und herzlich Willkommen!

ICh habe meine Diplomarbeit in der Bergen zwischen Rio und Teresopolis "absolviert" - mein Exfreund lebte damals in Rio.
Wir haben uns dort sehr wohlgefühlt! Gewisse MEntalitätsmissverständnisse sind ja nur normal, aber ich habe in Rio zum Beispiel die Vegane Küche sehr zu schätzen gelernt - allerdings auch die ganzen Pasteten am Strassenrand (BBLanches in rio ist noch heute mein lIeblings"restaurant").

ICh will immer nochmal hin, am liebsten inkl Kindern, denn es gab so viel zu sehen und zu erleben!
Die Wochenende bei Freuden in der Nähe von Teresopolis haben wir immer sehr genossen, die Pferde dort waren wunderbar, das Quellwasser auch....

ICh wünsche Euch ein schönes Leben auf der gesegnten Erde!

lg, zaches
"Erdachtes mag zu denken geben, doch nur Erlebtes wird beleben." Paul von Heyse

www.hilshof.de

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