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von Tanja » Sa 5. Jan 2013, 14:48
Ich verstehe die Aufregung um diesen Film und erst recht nicht, warum einige meinen, dem Klaus Röder "falsche" Intention und Gedankenlosigkeit vorwerfen zu müssen. Er hat doch nichts getan als ein persönliches Experiment durchzuführen und es dokumentiert. Seinem eigenen Leben hat er eine andere Richtung gegeben wollen, hat sein Haus seiner Familie überschrieben, seine Habe verkauft, einen Teil des Geldes verschenkt und einen anderen in seinen Neuanfang investiert. Und mit diesem hat er weder Natur noch Mensch noch Tier geschadet, auch wenn er "verwerflicher Weise" ein Plumpsklo statt eine Komposttoilette in den Wald gebaut hat.
Wie kommt der Vorwurf zu Stande, er habe sich um seine Tiere nicht gut gekümmert? Der Film zeigt doch genau das Gegenteil! Nicht nur, dass für alle Ställe und Unterstände da waren, sie hatten auch große Gehege, in denen sie artgerechter leben konnten als bei so manch anderem, der sich Selbstversorger nennt. Die Rinder wurden regelmäßig umgetrieben und bekamen ein gut geeignetes Winterquartier mit Unterstand und extra angelegter Trockenfläche. Den Schweinen standen nicht nur immer wieder frische, große Wühlflächen zur Verfügung, sondern sie wurden auch zu Streifzügen mitgenommen. Ebenso die Gänse, die sich bei Badeausflügen regelmäßig im Bach vergnügen konnten. Die Tiere sahen alle gesund, gut genährt und zufrieden aus und er ging sichtbar respektvoll und freundlich mit ihnen um, wodurch sie allesamt auch sehr vertrauensvoll und zutraulich waren. Als das eine Wollschwein an einer Herzbeutelentzündung erkrankte, wurde es dem Tierarzt vorgestellt und liebevoll gesund gepflegt. Auch wenn man sie sicherlich hier und da optimieren könnte, das war eine der besten Anfängerhaltungen, die ich persönlich je gesehen habe. Und was die grundsätzliche Einstellung von Klaus Röder zur Tierhaltung betrifft, so könnte sich da so mancher eine Scheibe von abschneiden!
Den Vorwurf, dass er immer wieder auf Hilfe aus seinem sozialen Netz zurückgegriffen hat, um sein Ding durchzuziehen, kann ich auch nicht nachvollziehen. Genauso sollte es doch wohl sein! Was spricht dagegen, seine Schweine in der kleinen Dorfmetzgerei verarbeiten zu lassen? Was dagegen, wenn Verwandte und Freunde einander beim Bauen, Gärtnern und Lagern helfen und miteinander tauschen? Ein solch tatkräftiges Umfeld zu haben, ist für einen Neustart ideal und letztendlich doch das, worüber wir alle froh wären, wenn wir es in diesem Umfang hätten. Und wozu der Hinweis, am Anfang stehe das Kochen? Dass er von Beginn an selbst gekocht hat, wurde im ersten Teil doch gleich mehrfach erwähnt.
Natürlich können und wollen wir nicht alle in der Schäferhütte im Wald oder auf dem Feld leben. Aber das ist doch auch nicht ansatzweise die Idee hinter diesem Projekt. Klaus Röder will weder anderen vorturnen noch behauptet er, alles zu wissen und keine Fehler zu machen. Und eigene zu machen, steht ihm genauso zu, wie jedem anderen Menschen auch. Wer einen Weg wählt, den er persönlich gehen möchte, der sollte dies auch tun können, ohne dass andere ihm anraten, er solle doch einen anderen nehmen, der ihnen persönlich eher entspräche. Dieses Projekt hatte nie den Anspruch, eine beispielhafte Selbstversorgung zu sein. Lediglich hat sich der Initiator von den Seymour Büchern inspirieren lassen, seinen eigenen Weg zu gehen, der ihn persönlich zu einem anderen, einfacheren und naturnäheren Leben leitete als das, das er bis Dato geführt hatte. Andere gehen dafür ins Kloster, pilgern den Jakobsweg oder kaufen sich eine Finca auf den Balearen, wenn sie das Geld dazu haben und es sie dorthin treibt. Es führen eben viele Wege nach Rom. Oder zu sich selbst. Wer will anderen vorschreiben, welcher der einzig Wahre zu sein hat?
Trotz diverser Fehler, die ja wohl nur allzu menschlich sind, hat Klaus Röder innerhalb beachtenswert kurzer Zeit eine kleine, mobile Landwirtschaft auf die Beine gestellt und produziert bereits so eigenes an Gemüse und Fleisch. Wohin ihn sein Weg noch führen wird, weiß er noch nicht, hat er am Ende der Doku gesagt. Nur, dass er auf jeden Fall die Tierhaltung beibehalten wird. Auch daran gibt es ja wohl nichts auszusetzen. Klar, es ist beneidenswert, sich in einer solchen Startposition zu befinden, aber die hatte er sich ja auch selbst geschaffen und sie sei ihm von Herzen gegönnt. Es gibt weiß Gott schlechtere Möglichkeiten, sein Leben neu auszurichten und sein Geld zu investieren. Ich finde es klasse, mit welcher Energie und Zielstrebigkeit das Projekt angegangen und umgesetzt wurde. Und ich finde es traurig, wie es in diesem Thread teilweise schlecht geredet wurde.
Tanja
