3Sat: 22:35 Uhr / Uhlenflug

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Spottdrossel
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Re: 3Sat: 22:35 Uhr / Uhlenflug

#21

Beitrag von Spottdrossel » So 11. Mär 2012, 11:16

Gustav hat geschrieben:Moin Sybille,
das kann ich gerne machen, alte Bauernhöfe waren schon nach dem Jahr 1900 ein Thema meines Grossvater Heinrich-Christian. Uropa war Fotograf und Kleinverleger ländlicher Motive, uralte Bauernhäuser waren seine Lieblingsmotive.

Gruss Michel
Damit bist Du ein interessantes "Opfer" für mich ;) . Angeregt durch die immer mal wieder aufkommenden Diskussionen hier im Forum, ob und wie man sich nur mit SV, ohne Lohnarbeit durchwurschteln kann ("früher ging´s doch auch?!"), und weil bei mir aus Erzählungen der älteren Generation sowie beiläufige Bemerkungen in Dokumentationen von früher ("im vorderen Zimmer hatte der Großvater seine Schusterwerkstatt...") der Eindruck erweckt wurde, daß Lohnarbeit zusätzlich zu Garten, Huhn und Ziege eher die Regel als die Ausnahme war, versuche ich grade, dieses Gefühl ein bißchen mit Tatsachen zu untermauern.
Vielleicht haben wir ja ein verfälschtes Bild von "früher"?
Wenn ich mir im Hessenpark ein kleines Häuschen ansehe, ist daran nicht ersichtlich, ob einer oder mehrere der Bewohner noch woanders arbeiten gingen. Aber für mich wäre das plausibel - irgendwie muß ja Hausrat, Werkzeuge usw. angeschafft werden, auch früher gab´s schon Steuern, und der Begriff "Lehrgeld zahlen" war ja auch mal im wortwörtlichen Sinn gemeint. Deshalb vermute ich, daß die wenigsten Leute früher nur glücklich und bescheiden vom eigenen Land gelebt haben, sondern die Selbstversorgung eher die heutigen Sozialleistungen ersetzten, daß man also nicht gleich verhungerte, wenn der bescheidene Lohn mal wegfiel.
Hast Du vielleicht in eurem "Familienschatz" Hinweise in diese Richtung?
Hühner sind auch nur Menschen...
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Knurrhuhn

Re: 3Sat: 22:35 Uhr / Uhlenflug

#22

Beitrag von Knurrhuhn » So 11. Mär 2012, 11:34

Hallo Spottdrossel,

ich kann Dir nur sagen wie es in meiner eigenen Familie, so in den 1920er/30er Jahren, gewesen ist.

Mein Großvater väterlicherseits betrieb Selbstversorgung parallel zur Lohnarbeit. Er war bei der Bahn angestellt, in seinem Haus lebte er mit Frau und vier Kindern sowie seiner betagten Mutter, besaß einiges an Land und Waldstücken.
Im Garten wurde sämtliches Gemüse angebaut was man brauchte, es gab Obstwiesen, eine Kuh, Schweine, Hühner und Kaninchen. Im Wald und Flur wurde Brennholz gemacht, Kräuter und Pilze gesammelt, Beeren gepflückt, Eicheln zu Kaffee geröstet, Rüben zum "örtlichen Zuckerrübenkocher" gebracht der davon Rübenkraut kochte (ich meine das süße, zähe, dunkle Zeug!).
Ich glaube, es gab auch eine Ölmühle außerhalb des Dorfes wo Lein hingebracht wurde, bin mir da aber nicht mehr ganz sicher.
Ach ja, und im Krieg hat die Familie sogar Tabak selbst angebaut.

Am Haus gab es Schuppen und Werkstatt, alles was man selbst machen konnte wurde selbst hergestellt. Mein Vater hat noch Stellmacher gelernt, ein Beruf der nur wenige Jahre später leider ausstarb.

Aber Deine Frage finde ich interessant - ich muß meinen Onkel mal fragen ob er noch weiß, was sein Großvater, also mein Ur-Opa, gemacht hat beruflich bzw. SV-mäßig.

Im Ruhrgebiet wurde neben der Arbeit im Bergwerk auch vieles noch selber angebaut oder Kaninchen gehalten.
Ist vielleicht auch ein Unterschied von der Stadt zum Land, und auch welche Zeit man als "früher" definiert ... oder, wo SV aufhört und gewerbliche Landwirtschaft beginnt?

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Thomas/V.
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Re: 3Sat: 22:35 Uhr / Uhlenflug

#23

Beitrag von Thomas/V. » So 11. Mär 2012, 11:45

Vielleicht haben wir ja ein verfälschtes Bild von "früher"?
Das denke ich auch.
So wie das Frau Hollerbusch beschreibt, war es hier auch, von der Landwirtschaft konnten außer evtl. den "Großbauern" kaum jemand leben. Es mußte immer auch auf irgendeine Weise Geld dazu verdient werden.
Entweder mit irgendwelchen Handwerken (Korbmacherei z.B.) oder hier bei uns in der Gegend oft Musikinstrumentenbau.
In meinem Nachbarhaus wurde nebenbei noch ein Kohlenhandel betrieben.
Also zumindest im Winterhalbjahr wurde ein großer Teil der nicht der Landwirtschaft dienenden Zeit darauf werdet, Geld anderweitig zu verdienen.
Oder andersherum: die SV diente dazu, die kärglichen Löhne aufzubessern bzw. Kosten zu senken.
Lassen sie mich durch, mein Bruder ist Arzt!

Gustav

Re: 3Sat: 22:35 Uhr / Uhlenflug

#24

Beitrag von Gustav » So 11. Mär 2012, 15:25

Moin Spottdrossel,
leider muss ich dir mitteilen, dass der grösste Teil des fotografischen Nachlasses meines Urgrossvaters in den 1960er Jahren mit dem Abbruch des Hauses meiner Grosseltern leider auf dem Müll landete.

Auf dem Dachboden des Hauses, auf dem ich als kleiner Knirps immer sehr gerne gestöbert habe, dort gab es eine Kammer, in der die alten Plattenkameras und Unmengen von Glasplattennegativen von Uropa HC aufbewahrt wurden. Meine Mutter hatte damals keinerlei Interesse an diesem Nachlass, ich ich selbst war damals leider noch zu jung.

Und so wurde all das weggebaggert, leider. :roll:

Ich besitze nur noch etwa 30 originale Papierabzüge seiner Fotografien, sowie einige Postkarten und grossformatige Drucke seiner heimatkundlichen Fotografien aus den Jahren von 1900 bis etwa 1940, der Rest wurde vernichtet.

Mein eigenes fotografisches Interesse, ich fotografiere mit einer Nikon D40, ist ebenfalls die bildliche Bewahrung von z.B. alter Bausubstanz, und natürlich auch alte Bauernhöfe. Diese wurden in den letzten Jahrzehnten hier massenweise "plattgemacht", weggebaggert, entsorgt, und das ist eine verfluchte Schande! :motz:

Abreissen kann man nur einmal, und dann sind diese historischen Gebäude für alle Zeiten weg. Das tut weh, wenn man wie ich z.B. heimatkundlich interessiert ist, selbst die letzte Windmühle hier im Ort, die "Grimmsche Mühle" wurde vor 2 Jahren abgebrochen, und durch einen "wunderschönen" Parkplatz vor einem Einkaufszentrum ersetzt...

Als der Abbruchbagger die Mühle zerstörte, haben viele Mühlenfreunde hier zugesehen, und teilweise bittere Tränen geweint, das war eine ganz scheussliche Situation. Für den Konsum und den Kommerz wird jegliche Tradition geopfert, sicher nicht nur hier im Ort und umzu, ganz sicher auch in eurer Umgebung.

Herzlichen Gruss von Michel

Knurrhuhn

Re: 3Sat: 22:35 Uhr / Uhlenflug

#25

Beitrag von Knurrhuhn » So 11. Mär 2012, 15:34

Tja ... ich sag nur: Stuttgart Hauptbahnhof :bang:

Mir tut sowas auch immer in der Seele weh, wenn alte Gebäude abgerissen werden oder dem Verfall preisgegeben werden. Auch wenn ich mal auf Immobilienseiten stöbere und gerade in Ostdeutschland so verfallene alte Häuser, Höfe, Villen, Schlösser usw. sehe könnte ich das große Heulen kriegen.
Wenn ich richtig fett Kohle hätte würde ich keine Brillanten oder Ferraris kaufen sondern solche Objekte, sie originalgetreu restaurieren lassen und an Liebhaber verkaufen oder vermieten, die das alles in Ehren halten, oder 'nem Heimatverein zur Verfügung stellen, irgendsowas.

Aber wenn die Deutsche Sprache als Kulturgut schon niedergeht ... wie will man da respektvollen Umgang mit historischer Bausubstanz erwarten. :sauenr_1:

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Re: 3Sat: 22:35 Uhr / Uhlenflug

#26

Beitrag von luitpold » So 11. Mär 2012, 16:01

Frau Hollerbusch hat geschrieben:Wenn ich richtig fett Kohle hätte würde ich ........
tja, mit richtig viel kohle ist alles leichter, sogar die selbstversorgung..... :engel:
Es muß sich alles ändern, damit es bleibt, wie es ist.

Knurrhuhn

Re: 3Sat: 22:35 Uhr / Uhlenflug

#27

Beitrag von Knurrhuhn » So 11. Mär 2012, 19:57

Nee, Luitpold, ich wollte damit was anderes sagen: :pft:

Und zwar, daß Reichlinge ihre Kohle oft für Statussymbole wie fette Autos und sonstigen unnützen Tand ausgeben. Und daß das Geld anders und sinnvoller eingesetzt werden könnte, wie die Erhaltung von Kulturgütern zum Beispiel.

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Re: 3Sat: 22:35 Uhr / Uhlenflug

#28

Beitrag von luitpold » So 11. Mär 2012, 20:19

Frau Hollerbusch hat geschrieben:Nee, Luitpold, ich wollte damit was anderes sagen: :pft:

Und daß das Geld anders und sinnvoller eingesetzt werden könnte, wie die Erhaltung von Kulturgütern zum Beispiel.
irgendwie tun sie das ja auch, wenn ich an die namen, thyssen henkel ludwig haselsteiner bieler liechtenstein denke.

nur machen sie halt manchmal die kohle damit, einen pittoresk modrigen kotten wegzuschieben und ein schoppincenter draufzusetzen.

lg
luitpold
Es muß sich alles ändern, damit es bleibt, wie es ist.

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Re: 3Sat: 22:35 Uhr / Uhlenflug

#29

Beitrag von fuxi » Mo 12. Mär 2012, 17:19

Gustav hat geschrieben:Wie gross dürfen Fotos hier im Forum sein ?
Es sind maximal 4 Dateien pro Beitrag möglich.
Die maximale Größe je Datei beträgt 256 kB.
Bei Bildern ist zusätzlich die Größe auf maximal 800 Pixel Breite und maximal 800 Pixel Höhe beschränkt.
(siehe >>hier<<)
Was größer ist, kann über externe Bilderdienste eingebunden werden (siehe >>hier<<)
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