Zusammenhang zwischen Strahlung, Lufttemperatur, Mikroklima

Was halt nirgendwo passt
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emil17
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Zusammenhang zwischen Strahlung, Lufttemperatur, Mikroklima

#1

Beitrag von emil17 » Di 24. Jan 2017, 13:30

Der wiki-Artikel des Tages mit dem Titel Atmosphärische Gegenstrahlung erklärt sehr gut auf physikalischer Basis, warum es z.B. bei positiven Lufttemperaturen Bodenfrost geben kann und warum eine Plane empflindliche Pflanzen schützen kann, obwohl sie kaum wärmedämmende Wirkung hat.
Ich mag es, wenn man mir physikalisch darlegt, was ich aus Erfahurng zu wissen glaube.
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aron
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Re: Zusammenhang zwischen Strahlung, Lufttemperatur, Mikrokl

#2

Beitrag von aron » Di 24. Jan 2017, 20:05

Hab versucht, mich in den von dir verlinkten Artikel einzulesen. Echt harte Kost für den Laien.
Falls es noch anderen hier genauso geht, vielleicht hast du Lust, das dem Durchschnitts Sv ler in wenigen Sätzen zu erklären :hhe:

Olaf
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Re: Zusammenhang zwischen Strahlung, Lufttemperatur, Mikrokl

#3

Beitrag von Olaf » Di 24. Jan 2017, 21:01

Ich hab auch relativ schnell aufgegeben :rot:
Eigentlich bin ich ein netter Kerl.
Wenn ich Freunde hätte, könnten die das bestätigen.

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patrick7
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Re: Zusammenhang zwischen Strahlung, Lufttemperatur, Mikrokl

#4

Beitrag von patrick7 » Di 24. Jan 2017, 22:34

Ich auch.

Zum kreuz (abschliessen) rechts oben, war 4 Sekunden. ;)

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emil17
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Re: Zusammenhang zwischen Strahlung, Lufttemperatur, Mikrokl

#5

Beitrag von emil17 » Di 24. Jan 2017, 22:44

Oh, ich finde das verständlich.
Liegt es bei euch an den Formeln?
Kürzer als es kompliziert ist gehts aber nicht. Ein bisschen anstrengen müsst ihr euch also schon.

Kurz: Die Temperatur an der Erdoberfläche ergibt sich aus der Bilanz von Einstrahlung und Abstrahlung.
Die Abstrahlung (gemessen in W/m2) hängt nur von der Temperatur ab (je wärmer, desto mehr Energie geht verloren) und erfolgt in alle Richtungen gleichmässig. Das ist bei allen Gegenständen so.

Die Einstrahlungsleistung auf einen Gegenstand an der Erdoberfläche ergibt sich aus der Sonneneinstrahlung (die ist konstant, hängt also "nur" vom Einstrahlungswinkel und von der Durchlässigkeit der Atmosphäre ab) und aus der Rückstrahlung der Atmosphäre nach unten, da die Luft ein Gegenstand ist, der auch eine Temperatur hat und folglich proportional zu ihr wie jeder andere Gegenstand auch Energie abstrahlt.

Weil die Atmosphäre nicht alle Wellenlängen der Strahlung gleich gut durchlässt, kann sie in den Bereichen, wo sie nichts absorbiert (siehe die Grafik mit dem Spektrum der Gegenstrahlung zu Beginn des Artikels) auch nichts zurückstrahlen. Der Anteil der Einstrahungsleistung in diesen Wellenlängen erreicht also direkt den Boden. Der Rest wird in der Luft absorbiert und erwärmt diese.

Weil nun (jetzt kommts!) der Boden in allen Wellenlängen sehr gut absorbiert und folglich auch sehr gut abstrahlt, die Luft aber für gewisse Wellenlängen quasi nicht existiert, wird sich die Erdoberfläche bei klarem Himmel tagsüber stärker erwärmen und nachts stärker abkühlen als die Luft darüber.
Denn der Boden bekommt gewisse Wellenlängen von der Luft nicht zurückgestrahlt, die er ebenfalls abstrahlt und die dershalb netto verlorengehen. Das macht bei einer Temperatur von 15 Grad und klarer Atmosphäre nachts etwa 70 Watt pro m2 Strahlungsverlust aus, wie vorgerechnet wird.

Am Tag ist der warme Boden unter der kühleren Luft, die sich durch Bodenkontakt erwärmt und dann aufsteigt, sich also mit der darüber liegenden Luft mischt. Das erfolgt durch den Dichteunterschied und geschieht spontan. Nachts befindet sich der kalte Boden unter der weniger kalten Luft. Diese kühlt sich zunterst durch Kontakt mit dem Boden ebenfalls ab. Diese Kaltluft bleibt aber unten liegen, weil sie schwerer ist als die darüberliegende weniger kalte. Ohne Wind wird sich also in Mulden ein Kaltluftsee bilden. Die Abkühlung geht solange weiter, bis die Energiebilanz durch Nachlieferung von Wärme aus dem Boden ausgeglichen ist.

Es wird im Folgenden anhand eines Grashalms in einer Bodenfrostnacht vorgerechnet, warum die Lufttemperatur zuerst rasch, dann kaum mehr sinkt. Ebenso wird daraus verständlich, warum es über Schnee so viel kälter wird als über nacktem Boden, und schliesslich, warum eine dünne Plane die Pflanzen darunter vor Strahlungsfrost schützen kann: weil sie eben ihrer eigenen Temperatur entsprechend in allen Wellenlängen zurückstrahlt, also auch in denen wo dies die freie Atmosphäre nicht tut, und auch, warum Pflanzen unter Dach und vor einer Mauer weniger unter Strahlungsfrost leiden: Der Bereich des offenen Himmels, der Netto-Strahlungsverlust in den Wellenlängen bewirkt, für die die Luft durchlässig ist, ist eingeschränkt.

Ich hab jetzt verstanden, warum es Frostlöcher gibt. Der Effekt ist gewaltig: im Grünloch in Niderösterreich wurden in nicht mal 1300m Höhe -50 Grad gemessen.
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Re: Zusammenhang zwischen Strahlung, Lufttemperatur, Mikrokl

#6

Beitrag von patrick7 » Mi 25. Jan 2017, 00:00

Das ist interessant.

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kraut_ruebe
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Re: Zusammenhang zwischen Strahlung, Lufttemperatur, Mikrokl

#7

Beitrag von kraut_ruebe » Mi 25. Jan 2017, 07:30

emil17 hat geschrieben: Es wird im Folgenden anhand eines Grashalms in einer Bodenfrostnacht vorgerechnet, warum die Lufttemperatur zuerst rasch, dann kaum mehr sinkt.
ich glaub nicht, dass das stimmt. die rechnung selbst mag wohl stimmen, aber in natura ist das nicht oder jedenfalls nicht überall so.

hier beginnt eine bodenfrostnacht überwiegend mit einem klaren, kalten aber frostfreien und windstillen abend, und bleibt stabil bis mitternacht. die temperatur sinkt dann sanft bis 5 uhr früh und um 6 uhr früh ist die temperatur ruckartig unter die frostgrenze gefallen.

das mag bei mir hier an der geländeformation liegen (talsohle), mir ist aber irgendwo schon mal ein spruch aus england begegnet, der sinngemäß lautet: um 6 latscht (jack?) frost durch den garten. demnach muss das auch anderswo so verlaufen, nicht nur bei mir.
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Re: Zusammenhang zwischen Strahlung, Lufttemperatur, Mikrokl

#8

Beitrag von emil17 » Mi 25. Jan 2017, 13:03

Mikroklimatologie ist wie Chemie: erst ausprobieren oder gucken was passiert, dann die Formel raussuchen die dieses erklärt. Und dann behaupten, es müsse so sein :)
Die Formeln sollen ja die lokalen Erfahrungswerte nicht ersetzen, sondern erklären.
Bei uns stimmt es ziemlich gut, nach Mitternacht wirds gewöhnlich nicht mehr viel kälter. Das hat aber auch damit zu tun, dass der Berg hier noch über 1500 Höhenmeter weiter hinaufgeht und dann Kaltluft von weiter oben abfliesst, wo es sich stärker abkühlt.

Beachte, dass in Frostnächten die Lufttemperatur nicht der Bodentemperatur entspricht. Du müsstest das Thermometer auf den freien Boden legen. Am besten auf ein horizontal gelegtes dunkles Kuchenblech draussen auf der Wiese, das durch untergelegtes Stroh oder dergleichen vom Boden thermisch entkoppelt ist. An der Wand liest du etwas anderes ab.
Das heisst, die erste Strahlung erwärmt den gefrorenen Boden und wirbelt die Kaltluft darüber durch thermische Ausdehnung auf, so dass die Kaltluftschicht dicker, aber etwas weniger kalt wird und die Kälte erst dann am höher aufgehängten Thermometer ankommt.

Eine Möglichkeit ist, dass bei Tagesanbruch die Strahlung winzige Wassertröpfchen in der übersättigten Kaltluft dazu bringt, zu verdunsten (bei winzigen Tröpfchen drückt die dann sehr grosse Oberflächenspannung die Tröpfchen zusammen und fördert so die Verdunstung), die dazu nötige Wärme wird der Luft entzogen. Nach diesem Prinzip funktionieren Kunstschneekanonen.
Wenn das aber wirklich so ist, dann würde sich der Reif erst am frühen Morgen bilden - und sollte nicht bloss erst dann auffallen, weil es ja vorher noch dunkel ist.

Der Artikel erklärt jedenfalls auch zwanglos,warum es im Winter und nur im Winterhalbjahr zur Bildung einer stabilen und langlebigen Hochnebeldecke kommt: Die Strahlungsbilanz und damit der Energiehaushalt der obersten Nebelschicht ist negativ, und damit kühlt sich der Nebel trotz der allerdings geringen Sonneneinstrahlung immer weiter ab und die Nebelschicht stabilisiert sich selbst.
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Re: Zusammenhang zwischen Strahlung, Lufttemperatur, Mikrokl

#9

Beitrag von kraut_ruebe » Do 26. Jan 2017, 08:24

emil17 hat geschrieben:
Beachte, dass in Frostnächten die Lufttemperatur nicht der Bodentemperatur entspricht. Du müsstest das Thermometer auf den freien Boden legen. Am besten auf ein horizontal gelegtes dunkles Kuchenblech draussen auf der Wiese, das durch untergelegtes Stroh oder dergleichen vom Boden thermisch entkoppelt ist. An der Wand liest du etwas anderes ab.
Das heisst, die erste Strahlung erwärmt den gefrorenen Boden und wirbelt die Kaltluft darüber durch thermische Ausdehnung auf, so dass die Kaltluftschicht dicker, aber etwas weniger kalt wird und die Kälte erst dann am höher aufgehängten Thermometer ankommt.
ich meine schon die bodentemperatur, konkret die temperatur 5 cm über dem boden.

ich habe selbst gemessen, und das agrarwetterportal zeigt auch beides an, also die lufttemperatur (fühler auf etwa 3 m) und die bodentemperatur (5 cm). die messtation steht im nachbardorf, auf halber höhe auf nem hügel.

nächste woche sollte sich die eiszeit auflösen und wir hier aus dem elenden minus-15-bereich raus sein. dann setz ich mal die offiziellen angaben hier rein, wo man das 6-uhr-tief oft gut sehen kann.

nicht, weil ich jemandes theorien widerlegen will, sondern weils mich interessiert.
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Re: Zusammenhang zwischen Strahlung, Lufttemperatur, Mikrokl

#10

Beitrag von emil17 » Do 26. Jan 2017, 10:10

kraut_ruebe hat geschrieben:auf nem hügel.
Die Messungen stimmen sicher. Allerdings kann man auf einem Hügel bei solchen Wetterlagen ganz andere Werte und Tagesgänge der Lufttemperatur bekommen als auch nur ein paar hundert Meter daneben.

Da gabs doch mal die Geschichte, wo sich private Wetterdienstler aus kommerziellen Gründen damit überboten haben, ihre Wetterstationen an rekordträchtigen Orten aufzustellen. Nachher kann man sich trefflich darum streiten, wie warm oder kalt es denn eigentlich war.
Deshab ist es bei der Auswertung von Langzeitdaten schon mühsam, wenn irgendwann die Wetterstation umgestellt worden oder die Art des Thermometers verändert worden ist.
Ein Thermometer misst immer seine eigene Temperatur. Die Kust des Messens von Temperaturen besteht darin, es so anzubringen, dass es so warm wird und bleibt wie das, was man messen will.
Bei Substanzen mit hoher Wärmespeicherkapazität und Wärmeleitfähigkeit (Wasser, Mensch) ist es vergleichsweise einfach, da steckt man es rein und liest ab.
Bei Gasen ist es schon schwieriger, bei Gasen unter Strahlungsbedingungen noch schwieriger.
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