Oelkanne hat geschrieben: ↑Fr 7. Jan 2022, 10:05
im Übermaß ist alles schädlich. Im Übermaß setzt aber niemand Düngemittel ein, abgesehen davon dass es verboten ist kostet es unnötig Geld.
Sorry, aber das ist eine Null-Aussage. Argumentativ erinnert mich das an "illegale Drogen sind illegal, weil sie verboten sind".
Ich habe eine Gärtnerausbildung im Raum Oldenburg gemacht. Dabei durfte ich eine ganze Reihe Betriebe von Innen sehen und hatte eine Berufsschullehrerin, die sehr engagiert war und aus dem "Nähkästchen" erzählen konnte.
Faktisch kann ich dir sagen, dort wird Dünger sehr simpel verwendet: "Viel hilft viel". Ich habe mehrfach selbst miterlebt, wie Dünger nach Gefühl ausbebracht wurde (gerne auch: Das machen wir schon immer so!). Gerne auch sowas wie: "Das ist noch ein halber Sack, komm den machen wir jetzt leer, sonst steht der über Winter offen rum."
Genau genommen habe ich in der ganzen Zeit nicht einmal erlebt, dass überhaupt der Dünger-Bedarf ermittelt wurde. Es wurde einfach was drauf gehauen.
Das Gleiche gilt für den Pflanzenschutz. Herbizid auf gepflasterten Höfen: Alltag. Darauf müsste bei einem proffesionellem Gärtnerbetrieb eine Strafe von 50.000€ stehen (Pflanzenschutzgesetz Abschnitt 4 Paragraph 12). Ich habe aber immer nur gesehen, wie alle schnell weggeguckt haben.
Aber auch bei der legalen Anwendung von Pflanzenschutzmittel: In der Berufsschule wurde integrativer Pflanzenschutz mit Schadensschwelle immer wieder runter gebetet. Bitte achtet darauf liebe Azubis und tragt das in die Betriebe.
In den Betrieben dann: So einen Blödsinn machen wir hier nicht. Wir spritzen jedes Jahr im Mai, dann passiert auch nix. (Schutzausrüstung ist vorhanden, um sie bei einer Prüfung zeigen zu können, benutzt wird sie nicht)
Ich kannte auch einen Betrieb der einen grösseren Vorrat eines Pflanzenschutzmittels angelegt hatte, weil der Verkauf verboten worden war, aber Restbestände durften noch verwendet werden. Also wurde "das gute starke Zeug" noch schnell in Mengen gekauft, bevor der Handel es nicht mehr hatte, damit man die nächsten Jahre weiter offensichtlich gefährliches Gift spritzen darf. Der Gärtnermeister hat sogar damit angegeben wir clever er ist und das er der einzige ist, der noch "richtiges" Pflanzenschutzmittel hat.
Und wenn du jetzt sagst: Ja das sind Gärtnereien, wir reden hier über Landwirtschaft. Da waren mehrere grosse Gemüse- und Obstgärtner dabei. Das ist mal mindestes Lebensmittelerzeugung.
Ich kann also dein Argument ganz einfach faktisch entkräften: Es wird sehr wohl überdüngt, ich habe es selber gesehen und miterlebt. Und nicht nur einmal, sondern systematisch.
An der Diskussion finde ich Bestürzend, wie die Realität verzerrt wird. Ich kann nachvollziehen, dass die Bauern einen Schmerz haben. Sie möchten so weiter machen wie bisher. Sie möchten ihren Lebensunterhalt verdienen. Nicht wenige haben enorme Summen bis hin zu Millionen Euro in Anlagen und Technik investiert. Klar wäre das ein Problem, wenn man in die falsche Technik investiert hat. Und klar ist das ein doofes Gefühl wenn deine Arbeit, deine Lebensweise angegriffen wird. Schnell wird das persönlich genommen.
Auf der anderen Seite sind aber eben auch nicht nur Leute die keinen Bauernhof riechen wollen (ja, die gibt es auch). Es sind auch einfach Leute dabei, die trinkbares Wasser erhalten wollen. Das ist ja denke ich erstmal ein nachvollziehbarer Wunsch. Nicht umsonst gibt es den Straftatbestend der Brunnenvergiftung schon seit der Antike und wurde immer besonders hart bestraft. Und natürlich wollen auch diese Leute was essen, was der Bauer produziert hat. Möglichst noch günstig.
Die Frage ist: Können wir es uns langfristig erlauben so weiter zu machen, wie bisher?
Ich persönlich glaube es würde viel bringen, wenn die bestehenden Regeln mal hin und wieder kontrolliert und durchgesetzt würden. Bestehende Gesetze anzuwenden dürfte ja eigentlich nicht kontrovers sein, oder? Dann würde deine Aussage "Das machen wir nicht, weil es verboten ist" auch ein kleines bisschen näher an die Realität rücken.