Buchkammer hat geschrieben:Angenommen, ihr habt noch kein Haus, Hof, Ländereien oder sonstige Besitztümer und ihr könntet euren Platz, an dem ihr euer restliches Leben verbringen würdet, frei wählen; wohin würdet ihr gehen?
Die Frage habe wir uns auch gestellt, als wir vor 16 Jahren von Fernost-Asien nach Europa zurueckgezogen sind. Wir waren frei, einen neuen Wohnsitz zu waehlen wo wir wollten. Eine zeitlang hab ich mit der Idee gespielt, eine Insel auf den Philippinen zu kaufen. Schliesslich ist das an der rechtlichen Unsicherheit gescheitert. Auslaender koennen nur ueber einheimische Mittelmaenner Land oder Immobilien erwerben. Dadurch ist man mehr oder weniger vom guten Willen des einheimischen Partners abhaengig. Wegen der Rechtssicherheit haben wir unsere Wahl dann auf die EU beschraenkt. Von Riga im Norden bis Portugal im Sueden haben wir verschiedene Optionen geprueft. Schliesslich haben wir die Mittelmeerlaender Italien, Frankreich und Portugal in die engere Wahl genommen. Im Sueden von Portugal hatten wir Bekannte, die uns ein kleines sehr entlegenes Tal gezeigt haben. Es war Liebe auf den ersten Blick, und der Preis war auch kein Problem.
Wir hatten natuerlich Vorstellungen darueber, wie wir uns unser Leben in der neuen Heimat einrichten wollten, ohne jedoch einen Plan festzulegen. Manches hat sich verwirklicht, anderes haben wir im Laufe der Zeit fallenlassen. Ich glaub, man sollte die Flexibilitaet haben, die eigenen Vorstellungen an die Gegebenheiten anzupassen. Es hat keinen Sinn, mit viel Aufwand einen vorher festgelegten Plan unbedingt durchsetzen zu wollen. Manche Leute lassen am Anfang einen Bulldozer kommen, um die ganze Vegetation wegmachen zu lassen oder gar die Topographie des Gelaendes zu veraendern. Wir haben nach und nach manuel Gestruepp weggemacht, um hier und da etwas neues zu pflanzen. Aber im Wesentlichen hab ich versucht, mit dem was schon existierte etwas zu machen. Heute hab ich eine total andere Sicht darueber wie das Land ist, was wo wachsen kann und wie die Erde am besten behandelt wird, als for 15 Jahren. In gewisser Weise bin ich mit dem Land gewachsen indem ich von ihm gelernt hab. Ideen von einer grossen Villa, Swimmingpool, Ziergaerten mit Steinwegen und Mauern sind alle auf der Strecke geblieben. Statt dessen haben wir gelernt, wie man nachhaltig fast ganz vom Land leben kann. Es gibt genug Holz zum heizen und kochen. Wenn ich einmal mehr Zeit hab, werd ich Moebel und andere Dinge auch selbst machen. Dank unserer Arbeit, wird die Erde jedes Jahr besser und erzeugt mehr als wir essen koennen. Ich moechte nie mehr darauf verzichten, das ganze Jahr Gemuese, Salate und Fruechte direkt aus dem eigenen Garten frisch auf den Tisch zu kriegen. Der Lehm und die Steine, die unbegrenzt vorhanden sind, liefern Material zum Bauen. Es waere auch genug Platz da fuer Ziegen oder Schafe, aber man kann nicht alles machen. Im Winter gibt es reichlich Pilze und ich lerne staendig neue Heilkraeuter kennen, die man z. T. in D. gar nicht mehr sammeln darf. Dadurch, dass das Land sehr entlegen ist, und es fast keine Landwirtschaft mehr gibt, ist die Natur relativ unberuehrt und die Belastung durch landwirtschaftliche Gifte kaum vorhanden.
Ich moechte nicht im Landesinneren leben, dort kann es im Sommer wie im Backofen sein. Aber hier an der Kueste, fungiert der Ozean wie ein Temperatur-Buffer, der im Sommer kuehlt und im Winter waermt. Die dicken Lehmwaende der Haeuser haben die gleiche Funktion. Im Sommer haben wir eine trockene Hitze, die leichter zu ertragen ist als feuchte Hitze. Im Schatten oder in den Haeusern oder sobald die Sonne untergeht kuehlt es sofort ab. Waehrend der Stunden der groessten Hitze im Sommer machen wir einfach eine ausgedehnte Siesta. Die Trockenheit ist ein Problem fuer den Landbau. Beim Kauf sollte man darauf achten, dass genug Wasser zum Bewaessern vorhanden ist. Aber wenn man die Erde verbessert, erhoeht sich auch die Faehigkeit des Bodens Wasser laengere Zeit zu halten. Dadurch kann ich unsere Anbauflaeche jedes Jahr etwas vergroessern.
Der Mitteleuropaer, der das erste Mal in diese Gegend kommt, hat oft das Gefuehl, nicht mehr in Europa zu sein. Der maurische Einfluss ist noch ueberall an den Ortsnamen zu erkennen. Die Algarve im Sueden ist natuerlich dichter besiedelt und turistisch Entwickelt. Aber das Alentejo ist eines der am wenigsten besiedelten Regionen in der EU. Die Landflucht geht sogar heute noch weiter und die Region verliert immer noch Einwohner, die sich Arbeit im Norden oder im Ausland suchen. Anders als in anderen lateinischen Laendern, ist der Machismo hier fast unbekannt. Die Leute sind eher gelassen und haben noch Zeit. Das richtige fuer gestresste Mitteleuropaer. Im Norden ist die Kirche noch sehr wichtig und das Denken der Menschen ist enger - wie das Land. Aber hier im Sueden sind die Menschen sehr offen, so wie die Landschaft offen und weit ist. Aufgewachsen auf den entlegenen Gehoeften, haben die Menschen ein starkes Unabhaengigkeitsgefuehl. Die Autoritaeten und die Kirche sind oft nicht gerne gesehen, weil die Underdrueckung unter der Diktatur noch nicht vergessen ist.
Meine Guete, schon so viel geschrieben. Jetzt aber schluss. Ich hoff, das gibt dir einen Eindruck. Wenn du noch Fragen hast, zier dich nicht.
Dieter