Bald ist Kelterzeit (mit Frage am Schluss)

Antworten
Benutzeravatar
ben
Beiträge: 273
Registriert: So 8. Aug 2010, 12:42
Wohnort: Rastorf OT Rosenfeld
Kontaktdaten:

Bald ist Kelterzeit (mit Frage am Schluss)

#1

Beitrag von ben » Do 13. Aug 2015, 17:26

Seit einigen Jahren kochen wir Apfelsaft ein. Hat meistens gut geklappt, allerdings hat sich die Erntemenge jedes Jahr vervielfacht und so haben wir es letztes Jahr nicht mehr geschafft die gesamte Erntemenge an einem Tag zu verarbeiten und einiges an gepflückten Äpfeln wurde in einem Kühlraum (wo die Äpfel nebenbei bemerkt nichts zu suchen hatten) zwischengelagert und zwei Wochen später verarbeitet. Von dem Saft aus dieser Charge sind dann später viele Flaschen umgekippt (also der Inhalt, nicht die Flaschen ;)).

Für dieses Jahr haben wir zunächst 'Bag in Box' geplant aber eigentlich bin ich kein Freund von den Plastikschläuchen. Nun habe ich noch eine Kelterei in der Nähe gefunden, wo man die eigenen Äpfel pressen, pasteurisieren und gleich in Flaschen füllen und etikettieren lassen kann. Mindestmenge ist 300 kg, da kommen wir weit drüber. Nach den Angaben der Anbieter kostet einen am Ende ein 0,75l Flasche 0,85€ bei Erstbefüllung. Das macht die Sache natürlich bedeutend teurer aber dafür bekommen wir alles verarbeitet und können den größten Teil vermarkten, so dass wir unterm Strich vielleicht sogar mit einem kleinen Verdienst rauskommen. Ich denke an einen Flaschenpreis von 2,-€ (oder 1,99€).

Ich hatte kurzzeitig auch daran gedacht in besseres Kelter-Equipment zu investieren und alles selbst zu machen. Es gibt da eine ganz tolle Homepage für alle, die in der Richtung Überlegungen anstellen:
http://www.hobbymosterei.de/
Beachtet insbesondere die Rubrik 'Fragen und Antworten'. Da bleibt kaum eine Frage unbeantwortet. Ich bin dann jedoch recht schnell zu dem Schluss gekommen, dass ich mir so eine Mosterei nicht ans Bein binden will. Um sie auszulasten und zu amortisieren reichen unsere eigenen Mengen dann doch nicht aus, das heißt wir müssten dann auch Äpfel von anderen Leuten verarbeiten, damit sich die Geräte rentieren. Da gebe ich lieber etwas Geld für eine gute Verarbeitung aus und stecke meine Zeit dann in die Direktvermarktung von unserem 1a Apfelsaft. Das macht bestimmt mehr Spaß, als tagelang zu keltern.

Es gäbe sicherlich auch noch die Möglichkeit nur für den Eigenbedarf Apfelsaft einzukochen und die restlichen Äpfel zu einer großen Mosterei zu geben. Da bekommt man dann 10,- oder 15,- € für 100 kg Äpfel. Manche Bekannte sagen dann das wäre ja auch nicht schlecht und da kommt auch was zusammen und so weiter aber ich fühle meine Arbeit da einfach zu geringgeschätzt.

Letztes Jahr habe ich auch das erste Mal Apfelwein gemacht (Graf-Fass 60l) und ein 50l Druckfass (Speidel) mit Most. Hat beides problemlos funktioniert. Der Apfelwein war richtig was Besonderes. Das ist auch von allen Konserviermethoden die mit Abstand einfachste. Saft in Fass, Gärverschluss drauf, Fass in kühlen (möglichst Erd-)Keller, warten bis ca. Weihnachten. Feddisch!

Das Druckfass ist auch toll aber was ich etwas schade finde, ist dass der größte Teil der Kohlensäure beim Abzapfen verlorengeht. Außerdem ist es im Vergleich zu den Apfelweinfässern sehr viel teurer. Vor zwei-drei Jahren habe ich mal mit Apfelsaft in Bügelflaschen experimentiert, was zu drei explodierten Flaschen in der Küche geführt hat. Nach weiterem Rumprobieren habe ich ein Verfahren entwickelt, das funktioniert (Bügelflasche nach zwei Tagen kurz öffnen und in den Kühlschrank und dann gelegentlich wieder öffnen). Man hat dann zwar viel Kohlensäure aber leider kann man mit der Methode keine größeren Mengen herstellen.

Nun habe ich aufgrund der Apfelweinproduktion letzten Herbst eine neue Idee bekommen und dazu eine FRAGE:
Die Idee ist es den Apfelsaft zunächst in Apfelweinfässer zu füllen und die erste starke Gärung in den Fässern stattfinden zu lassen. Wenn dann der Zuckergehalt ausreichend abgesunken ist, wird der angegorene Saft (Rauscher) direkt in Bügelflaschen abgefüllt. Die Frage ist jetzt, wie hoch ist der richtige Zuckergehalt, damit in der Flasche nachher ordentlich Kohlensäure ist aber dass keine Explosionsgefahr mehr besteht. Kennt sich da jemand aus? Ich habe ein Refraktometer, mit dem man den Brix-Wert von Säften messen kann. Wäre das geeignet, um den richtigen Zeitpunkt zum Abfüllen zu bestimmen?

Fred
Beiträge: 832
Registriert: Mi 23. Okt 2013, 02:04

Re: Bald ist Kelterzeit (mit Frage am Schluss)

#2

Beitrag von Fred » Di 24. Mai 2016, 02:38

Hallo Ben,
Ich habe deine Frage erst jetzt gesehen, da ich mich gerade mit Refraktometer beschäftige. Ich denke daß man das prinzipiell bejahen kann. In der Bierbrauerei wird ja wohl ähnlich vorgegangen indem man den Zuckergehalt Ausgangswert bestimmt, und dann mitverfolgt wie die Zucker durch die Gährung abnehmen. An der Differenz kann man dann den Alkoholgehalt festmachen. Denke das sollte auch für die Kohlensäure gelten.
So interpretiere ich die Darstellung auf englischen Wikipedia zur Gravity. Konkret kann mangels Brauerfahrung jedoch nichts dazu zu sagen, denke aber das ist ein interessanter Ansatz. Die Flaschenstabilität kannst ja dann überprüfen, wenn du in einem sicheren Behältnis einige Testflaschen erwämrst, so daß die Kohlensäure frei wird. Wenn sie eine Überwärmung aushalten, sollten sie im Normalumgang dann sicher sein.
Interessantes Forschungsprojekt hast dir da ausgedacht.
wünsche viel Erfolg
F.

Wicheler
Sponsor 2016
Sponsor 2016
Beiträge: 612
Registriert: Mi 22. Apr 2015, 09:06

Re: Bald ist Kelterzeit (mit Frage am Schluss)

#3

Beitrag von Wicheler » Di 24. Mai 2016, 09:27

Hallo,

zu deiner Frage, beim Bierbrauen (hat Fred schon geschrieben, hab den engl. Text nicht gelesen) wird eine Flaschengärung gemacht. Da gibt es 2 Möglichkeiten, um die Kohlensäuremenge gezielt in die Flasche zu bekommen. Einmal kann man die Gärung komplett ablaufen lassen und setzt dann eine genau bestimmte Menge Zucker. Soll das Getränk naturrein bleiben, kann man auch Speise nehmen, eine bestimmte Menge des Bieres (Saftes), der gekühlt und noch nicht vergoren ist. Den Zuckergehalt der Speise muß man vorher genau bestimmen.
Hier ---> http://www.brewrecipedeveloper.de/misc/ ... chner.html
kann man z.B. sowas ausrechnen.

Eine 2. Möglichkeit ist das "Grünschlauchen". Da füllt man bei einem bestimmten Restzuckergehalt das Bier/ den Saft in die Flasche ab. Das kann man mit dem Refraktometer messen, man muß aber den "Alkoholfehler" rausrechnen. Das Refraktometer mißt den Zuckergehalt durch Lichtbrechung, Sind Zucker und Alkohol gemeinsam im zu messenden Medium, beeinflussen sich 2 verschiedene Werte. Um den Fehler rauszurechnen gibt es z.B. Berechnungestools oder diese Tabelle ---> http://www.nordbrauertreffen.de/magazin ... abelle.pdf
Eine interessante Seite ist die ----> https://brauerei.mueggelland.de/berechnungen.html Seite, da gibt es jede Menge Berechnungen, auch die zum umrechnen von Brix in Öchsle, dein Refra. wird wohl Öchsle anzeigen.


Diese Vorgehensweise ist natürlich aufs Bierbrauen optimiert, da hab ich etwas Ahnung von, vielleicht gibt's es sowas ja auch in der Weinherstellung.
Gruß Dieter

MOKE
Beiträge: 225
Registriert: Do 28. Aug 2014, 20:33

Re: Bald ist Kelterzeit (mit Frage am Schluss)

#4

Beitrag von MOKE » Di 24. Mai 2016, 11:40

Bügelflaschen und Kronkorken haben den Vorteil, dass sie auch als Überdruckventil agieren.
Ab einem gewissen Druck (ich habe die Werte gerade nicht genau im Kopf) hebt sich der Kronkorken, bzw. wird auch die Gummidichtung undicht, sodass überschüssiges Gas entweichen kann.
Beim Kronkorken kann es durch teilweise plastische zu einer dauerhaften Undichtigkeit kommen (jedoch so fein, dass keine Flüssigkeit austreten kann). Daraus resultiert lediglich eine etwas geringere Haltbarkeit.
Beim Bügelverschluss dagegen schließt die Flasche auch nach der Überdruckfunktion dicht ab.
Der Test dazu: http://hobbybrauer.de/modules.php?name= ... erdate=ASC

Allgemein kann man für Wein relativ einfach einen theoretisch erzielbaren Druck berechnen - dafür gibt es Formeln, auch im Kitzinger, wenn ich mich recht erinnere.
Also du würdest die Öxle in deinem Apfelsaft bestimmen, über den gewünschten Alkoholgehalt dann noch die erforderliche zusätzliche Zuckermenge. Dann via dieser Formeln, wie viel Zucker du pro Liter brauchst um den gewünschten Druck in der Flasche zu erzielen. Dann kannst du über das Messen des Alkoholgehalts ermitteln, wie viel Zucker schon vergoren ist und somit bestimmen wie viel Zucker noch vorhanden ist. (Finde ich einfacher, als aus den Ergebnissen des Refraktometers, den Einfluss des Alkohols herauszurechnen.) Jetzt im richtigen Moment abfüllen und Korken drauf. Bei Sekt hat men meine ich etwa 2 bar, das dürfte für Cider ähnlich gewünscht sein, damit sollte auch die Flasche kein Problem darstellen.

Und nochwas: Ab einem gewissen Druck stellt dann auch die Hefe die Arbeit ein. Ich meine, das pendelt sich etwa bei 5bar ein.
Das größte Problem sehe ich persönlich darin, wenn du die Flasche wieder öffnest. Denn mit der Hefe darin hat das überschüssige CO2 in der Flasche (das bei Normaldruck nicht mehr gebunden wird, sondern nur bei Überdruck) jede Menge Kondensationskeime; das Ergebnis ist, dass dein Ergebnis beim Öffnen der Flasche an der Decke klebt. Ich weiß nicht, wie das beim Hefeweizen gemacht wird, aber bei Wein sollte man IMMER nur glasklar gefilterten Kram abfüllen, wenn denn noch Druck drauf kommt.

Benutzeravatar
ben
Beiträge: 273
Registriert: So 8. Aug 2010, 12:42
Wohnort: Rastorf OT Rosenfeld
Kontaktdaten:

Re: Bald ist Kelterzeit (mit Frage am Schluss)

#5

Beitrag von ben » Mi 25. Mai 2016, 10:07

Wow, das ist das Tolle an den Foren. Da kann man auch nach einem Jahr noch eine Antwort auf seine Frage bekommen, herzlichen Dank!

@Moke: Dass Bügelflaschen als Überdruckventil funktionieren kann ich nicht bestätigen. Bei mir sind sie alle geplatzt und zwar genau in dem Moment als ich von Sabiene die Antwort gelesen habe, dass roher Apfelsaft in Bierflaschen ein super Rezept für explodierende Flaschen ist ;).

Der Hinweis mit der Hefe und den Kondensationskernen ist sehr aufschlussreich. Ich dachte bislang immer, dass die Flaschen so stark sprudeln, weil der Druck einfach zu groß ist. Nach der letzten Ernte bin ich nicht dazu gekommen systematische Versuche zu machen und der halbherzige Versuch, den ich unternommen habe hat wieder dazu geführt, dass die Flasche nach dem Öffnen halb leer gesprudelt ist. Ich habe einen Speierling auf der Obstwiese. Speierling hat ja die Eigenschaft den Apfelsaft zu klären, wenn man ca. 1% mitpresst, vielleicht reicht das schon zur Klärung.

Die von Dieter beschriebene Methode, bei der man zuerst die Gärung vollständig ablaufen lässt und dann wieder eine definierte Menge Saft dazugibt ist mir sehr sympathisch. Den Saft könnte ich ja aus dem Druckfass nehmen. Allerdings würde ich mit dem Saft dann auch wieder Hefen und Trubstoffe in den vom Speierling geklärten Wein bringen. Das heißt ich müsste auch den Saft vor dem Abfüllen irgendwie klären. Hmm, dann würde ich eventuell doch lieber Zucker nehmen.

Wicheler
Sponsor 2016
Sponsor 2016
Beiträge: 612
Registriert: Mi 22. Apr 2015, 09:06

Re: Bald ist Kelterzeit (mit Frage am Schluss)

#6

Beitrag von Wicheler » Mi 25. Mai 2016, 10:30

ben hat geschrieben:
Die von Dieter beschriebene Methode, bei der man zuerst die Gärung vollständig ablaufen lässt und dann wieder eine definierte Menge Saft dazugibt ist mir sehr sympathisch. Den Saft könnte ich ja aus dem Druckfass nehmen. Allerdings würde ich mit dem Saft dann auch wieder Hefen und Trubstoffe in den vom Speierling geklärten Wein bringen. Das heißt ich müsste auch den Saft vor dem Abfüllen irgendwie klären. Hmm, dann würde ich eventuell doch lieber Zucker nehmen.
Hallo,

wieviel liter willst du denn machen?
Ich habe für mein Bier 200 und 300ltr Behälter, die haben ein Überdruckventil, daß ab 1bar abbläst. Nach einer gewissen Zeit liegt die Hefe fest am Boden im Faß und ich kann mit einem Gegendruckfüller mein Bier klar, ohne CO2- Verlust, in Flaschen abfüllen.

Übrigens, ich meine, ich hätte im Fruchtweinkeller mal gelesen, daß die Gärung Drücke von über 10bar erzeugen kann. Da sollte man vorsichtig sein, besonders, wenn noch ein Luftpolster im Faß ist.
Gruß Dieter

Benutzeravatar
ben
Beiträge: 273
Registriert: So 8. Aug 2010, 12:42
Wohnort: Rastorf OT Rosenfeld
Kontaktdaten:

Re: Bald ist Kelterzeit (mit Frage am Schluss)

#7

Beitrag von ben » Mi 25. Mai 2016, 10:50

Wicheler hat geschrieben: wieviel liter willst du denn machen?
Wir haben letztes Jahr ca. 1200 l Saft gepresst und hätten vermutlich von der Erntemenge auch 2000 oder etwas mehr l pressen können aber wir sind mit der Verarbeitung nicht hinterhergekommen. Für Apfelwein habe ich derzeit eine Kapazität von 150 l plus 50 Liter Druckfass, also 200 l. Den Rest haben wir eingekocht und das war auch der Flaschenhals, das Einkochen hat zu lange gedauert. Die Vermarktungswege sind leider auch noch nicht ganz geklärt, das heißt es liegen noch etliche Liter Apfelsaft im Lager (Lagerkapazität ist das nächste Problem).
Wicheler hat geschrieben: Ich habe für mein Bier 200 und 300ltr Behälter, die haben ein Überdruckventil, daß ab 1bar abbläst. Nach einer gewissen Zeit liegt die Hefe fest am Boden im Faß und ich kann mit einem Gegendruckfüller mein Bier klar, ohne CO2- Verlust, in Flaschen abfüllen.
Übrigens, ich meine, ich hätte im Fruchtweinkeller mal gelesen, daß die Gärung Drücke von über 10bar erzeugen kann. Da sollte man vorsichtig sein, besonders, wenn noch ein Luftpolster im Faß ist.
Ja, das Druckfass bläst bei 10 bar, ab.

Antworten

Zurück zu „Konservieren und Vorratshaltung“