Der "jagdfreie" Kanton Genf

Fred
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Re: Der "jagdfreie" Kanton Genf

#11

Beitrag von Fred » So 26. Jan 2014, 21:00

Manfred hat geschrieben:Wie kommt der Wohlleben eigentlich zu der These, die Wildbestände würden durch einen Bejagungsstopp sinken?
Jedwede Naturbeobachtung die ich bisher gemacht habe, deutet auf das Gegenteil.
Vielleicht ist der Sendung der Vorwurf, der Missverständlichkeit zu machen, da die Positionen nicht genau getrennt werden. In der Eingangssequenz scheint Förster Wohlleben als Beispiel der "Natur und Tierschützer" zu gehören, wobei diese in der Frage eine andere Position einnehmen. Die Sequenz lautet:
Alarm im deutschen Wäldern
Es wimmelt nur so von Hirschen, Rehen und Wildschweinen

"Wir Jäger regulieren die Überpopulation" - das sagen die Waidmänner

Was aber wenn das gar nicht stimmt?
mehr Wild bedeutet schließlich mehr Beute und Trophänen

Der Vorwurf, um mehr abschießen zu können, mästen die Jäger die Tiere des Waldes
das geht soweit, daß manche Waidmänner sogar Kohl für Hirsche anbauen

O-Ton P. Wohlleben: "Das ärgert mich total, Weil die Jäger mit dieser Art Ackerbau die Natur Kaputt machen, denen ist der Wald scheißegal"

Natur- und Tierschützer fordern nicht weniger als ein absolutes Verbot der Jagd in Deutschland.
Die letzten Sätze sind so zusammengefügt, letzter Satz die Meinung von P. Wohlleben zu sein scheint, was aber nicht der Fall ist, wie du auch festgestellt hast. Ich kannte seine Position aus seinem Buch, daher bin ich nicht darauf hereingefallen, deshalb wohl auch mein anderer Eindruck von der Sendung.
Herr Wohlleben fordert ein anderes Jagdsystem, -z.B. die Bürgerjagd- in seinem Forst, wo es keinen Jagtpächter gibt, der dem Anreiz unterliegt für bessere Jagdausbeute bei der hege zuviel Nachzuhelfen.

Inzwischen auf Youtube

Manfred

Re: Der "jagdfreie" Kanton Genf

#12

Beitrag von Manfred » Mo 27. Jan 2014, 12:33

Ich habe hier "Mein Wald" von Wohlleben liegen.
Auch darin behauptet er, der von Jäger hochgehegte Bestand großer Pflanzenfresser habe hierzulande bis zum 50-fachen der natürlichen Dichte.
Woher er diese Zahl nimmt, begründet er aber nirgends. Schon gar nicht mit Quellenangabe.
Er stellt diese Behauptung einfach in den Raum.

Im Film sagt er ja auch, dass man große Gebiete jagdfrei machen müsse, damit sich die Bestände von selbst auf ein natürliches Maß regulieren würden.
Auch dafür keinerlei Quelle oder Beleg.

Unsere deutschen Nationalparks zeigen genau das Gegenteil. Da wird überall massiv in die Schalenwildbestände eingegriffen. Wohllebens ökologischer Jagdverein ist da besonders Aktiv. Und zwar genau mit den in Film so lautstark kritisierten Drückjagden.

Wie gesagt: Aus waldbaulicher Sicht kann ich die Forderung nach niedrigeren Schalenwildbeständen sehr gut verstehen.
Für die Behauptung dies sei ein natürlicher Zustand, bzw. die Reduzierung auf bis zu 1/50 der aktuellen Bestände (was m.E. mit den aktuell zulässigen jagdlichen Mitteln gar nicht möglich ist) entspräche einer natürlichen Schalenwilddichte, bleibt er aber jedwede Begründung und noch mehr jeden Beleg schuldig.

Gegenbeweise bietet nicht nur Oostvaardersplassen, sondern auch jeder deutsche Nationalpark.
Auch in den Nationalparks der USA z.B. im Yellowstone war nach Aussetzen der Jagd ein massiver Anstieg der Schalenwilddichten und ein Rückgang der Waldflächen zu beobachten.
Erst seit wieder Wölfe in großer Zahl angesiedelt wurden und auch der Puma zurückgekehrt ist, gehen die Schalenwildbestände langsam zurück. Wo sie sich einpendeln werden, ist noch offen.
Selbst dann wird kein natürlicher Zustand erreicht sein, weil die durchziehenden großen Pflanzenfresserherden früherer Zeiten nicht zurückkehren werden und auch nicht die nach der Besiedlung durch den Menschen in Nordamerika ausgerotteten Großpflanzenfresser, welche die zu den Zeiten noch bestehenden Eichensavannen gestaltet hatten.
Eine Eichensavanne ist aber auch kein Plenterwald.
Man kann es also drehen wie man will: Wohllebens "natürlicher Wildbestand" ist Wunschdenken.

spellon
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Re: Der "jagdfreie" Kanton Genf

#13

Beitrag von spellon » Mo 27. Jan 2014, 18:50

Wenn kein Respekt vor den Wildtieren vorhanden ist, ist eine Diskussion über die Jagd zwecklos.
Wenn Respekt vorhanden ist, sucht man nach anderen Lösungen um das Töten der Tiere zu vermeiden.
Theoretisch müssten auch die meisten Hunde abgeknallt werden, denn es gibt hiervon eine Überpopulation, sie richten viele Schäden an und greifen im Ggs.zu Wildtieren auch Menschen an. Und sicher könnte man sie auch als Nahrung nutzen....
Sicher löst der Gedanke daran schon Empörung aus. Doch ich führe den Vergleich nur an um zu zeigen , dass alles eine Frage der Mentalität ist.
Gegen die Jagd zu sein heißt nicht gegen die Nutztierhaltung zu sein. Im Gegensatz zu Nutztieren leben diese frei und autark. Der Mensch hat grundsätzlich kein Recht in deren Leben einzugreifen, außer zur Sicherung seiner eigenen lebensnotwendigen Interessen.
Gerade weil es heutzutage die menschliche Tierhaltung gibt und der Mensch in den reichen Ländern überversorgt ist mit Lebensmitteln, und gerade weil den Wildtieren schon enorm viel Lebensraum genommen wurde , sollte man nicht so tun als lebe man noch in der Steinzeit und die Wildtiere dann AUCH noch essen wollen.
Veganer sind grundsätzlich gegen jedes Töten von Tieren. Doch aus ethischer Sicht ist es heute weniger vertretbar Wildtiere
als Tiere aus der Tierhaltung zu töten, denn diese letzteren haben dem Tierhalter ihr Leben zu verdanken.
Wildtiere ziehen ihre Jungen unter schwierigen Bedingungen auf, Rehe haben max. 2 Junge. Und trotzdem setzt man sie mit Zuchttieren gleich, die am laufenden Band vermehrt werden..

Zu den Themen :Waldschutz, Schutz vor Wildschäden, jagdfreie Gebiete später noch was.

Manfred

Re: Der "jagdfreie" Kanton Genf

#14

Beitrag von Manfred » Mo 27. Jan 2014, 19:09

Dein Beitrag enthält so viele persönliche Festlegungen, dass man darauf kaum sachlich antworten kann.

Fangen wir mal bei den Rehen an.
Die haben nicht max. 2 Junge pro Jahr. Das können auch mal 3 oder sogar 4 sein.
Aber normal sind 1 bis 2.
Meine Mutterkühe haben normalerweise nur 1 Junges pro Jahr und ziehen das genauso mühsam auf, wie die Rehe ihre Kitze ein paar Meter daneben.
Sind die Mütterkühe dann schützenswerter als die Rehe, weil sie noch weniger Junge haben?

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Re: Der "jagdfreie" Kanton Genf

#15

Beitrag von Tanja » Mo 27. Jan 2014, 19:34

spellon hat geschrieben:Gerade weil es heutzutage die menschliche Tierhaltung gibt und der Mensch in den reichen Ländern überversorgt ist mit Lebensmitteln, und gerade weil den Wildtieren schon enorm viel Lebensraum genommen wurde , sollte man nicht so tun als lebe man noch in der Steinzeit und die Wildtiere dann AUCH noch essen wollen.
Ich persönlich empfinde es als sehr gesund und natürlich, das Fleisch von Tieren zu essen, die ein artgerechtes freies Leben haben führen können, bevor sie einem Räuber, in dem Falle dem Menschen, zum Opfer gefallen sind. Eine Alternative dazu ist für mich zwar eine ethisch vertretbare Nutztierhaltung, aber dazwischen im Denken eine rigorose Trennung zu vollziehen, entbehrt aus meiner Sicht jeder Logik.

Ja, wir als Menschen sind die Fressfeinde, sowohl von Bambi als auch von Schweinchen Babe! Und als solche sind wir Teil der Natur. Dass wir darüber hinaus Wesen sind, die sich im Gegensatz zu anderen Räubern einerseits über unser eigenes Naturell entrüsten und andererseits - trotz der Fähigkeit darüber zu reflektieren - die Natur vergewaltigen und ausbeuten, das ist das Problem. Und das wird nicht dadurch gelöst, dass wir uns noch weiter von ihr entfernen als wir es eh schon sind. Im Gegenteil! Nicht Jagdverbvote und Separation von der Natur brauchen wir, sondern stattdessen wieder mehr Natürlichkeit und ein gesünderes Verständnis für unsere Mitgeschöpfe und uns selbst.
Tanja

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Re: Der "jagdfreie" Kanton Genf

#16

Beitrag von spellon » Mo 27. Jan 2014, 19:39

Man sollte mal einfach ermitten wieviele Kühe, Rinder und andere Fleischtiere auf der einen, und wieviele als Fleisch verwertete Wildtiere auf je 1000 Einwohner kommen , und das alles in KG berechnet (in DE). Ich denke dass es Zig-mal mehr Nutztiere gibt. Allein aus diesem Grund ist es falsch die Wildtiere so zu behandeln als gäbe es unendliche Mengen davon.

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Re: Der "jagdfreie" Kanton Genf

#17

Beitrag von Tanja » Mo 27. Jan 2014, 20:08

spellon hat geschrieben:Ich denke dass es Zig-mal mehr Nutztiere gibt. Allein aus diesem Grund ist es falsch die Wildtiere so zu behandeln als gäbe es unendliche Mengen davon.
Es hat doch niemand gesagt, dass alle Menschen ausschließlich nur erjagtes Fleisch essen und dabei den Wildtierbestand ausrotten sollen. Dass so viele Nutztiere gehalten werden, die meisten von ihnen unter nicht artgemäßen Umständen, bedeutet doch viel eher, dass es an der Zeit ist, die Notbremse zu ziehen und die derzeitige Entwicklung umzukehren: Das Bewusstsein dafür zu wecken, das es besser ist, weniger Fleisch guter Qualität zu genießen und dafür einen angemessenen Preis zu zahlen als sich Unmengen Billigfleisch aus Massenproduktion einzuverleiben. Das gelingt sicherlich nicht dadurch, dass man ausgerechnet die Jäger verteufelt und die Menschen noch mehr von der Natur separiert.
Tanja

:blah:

Manfred

Re: Der "jagdfreie" Kanton Genf

#18

Beitrag von Manfred » Mo 27. Jan 2014, 20:13

Wer behandelt denn Wildtiere so, als gäbe es unendliche Mengen davon (von manchen Fischereiflotten am abgesehen).
Wieviel Rehe es in Deutschland gibt, weiß niemand.
Pro Jahr werden ca. 1.150.000 Rehe geschossen.
215.000 stehen in der Fallwildstatistik, hauptsächlich durch den Straßenverkehr.
90.000 sollen durch landwirtschaftliche Arbeiten getötet werden.
Sind zusammen 1.455.000.
Dann geht man davon aus, dass ca. 20% alle gesetzten Kitze durch Fuchs, Schwarzwild und andere Prädatoren getötet werden.
Dazu kommt eine unbekannt Zahl, die an Krankheiten stirbt.
Gehen wir mal über den Daumen von ca. 2 Millionen in D getöteten Rehen pro Jahr aus.
Und das nachhaltig. Die Strecken werden eher mehr als weniger.
Bei 1,5 Kitzen pro weiblichem Reh müssten im Frühjahr also mind. 1,35 Mio. weibliche Tiere im gebärfähigen Alter vorhanden sein. Dazu die männlichen Tiere und die nötigen Jungtiere für die Bestandsergänzung.
Also vermutlich irgendwas zwischen 2 und 3 Mio. Rehe als Winterbestand. Ich schätze eher mehr.

Wieso sollte man aufhören, die als Nahrung zu nutzen?
Die Folgen wären klar: Der Bestand würde ansteigen und dann irgendwo in eine Sättigung laufen, die durch verminderte Geburtenzahlen pro Mutter (wegen im Schnitt schlechterer Lebensgrundlange, sprich weniger Nahrung und Deckung) sowie Hunger- und Krankheitstoten beim Nachwuchs bestimmt wäre. Ältere Tiere würden vermehrt an Krankheit und Hunger sterben, zumindest solange nicht flächendeckend Großprädatoren in entsprechender Zahl vorhanden wären. Die Zahl der Verkehrsopfer würde natürlich auch zunehmen.
Was wäre daran besser als der jetzige Zustand, wo es den allermeisten Rehen recht gut geht, solange sie leben?

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Re: Der "jagdfreie" Kanton Genf

#19

Beitrag von Little Joe » Mo 27. Jan 2014, 20:33

spellon hat geschrieben:Man sollte mal einfach ermitten wieviele Kühe, Rinder und andere Fleischtiere auf der einen, und wieviele als Fleisch verwertete Wildtiere auf je 1000 Einwohner kommen , und das alles in KG berechnet (in DE). Ich denke dass es Zig-mal mehr Nutztiere gibt. Allein aus diesem Grund ist es falsch die Wildtiere so zu behandeln als gäbe es unendliche Mengen davon.
... ehrlich gesagt versteh ich die Rechnung nicht. Ich würds anders ausdrücken, wenn ich micht entscheide Fleisch zu essen, dann sollte das Tier, welches ich esse (für das Tier bin ich in diesem Fall der Beutegreifer) ein artgerechtes und für das Tier bis zu diesem zeitpunkt erfülltes Leben haben. Damit fallen Tiere aus Masssentierhaltung schon mal komplett aus. Esse ich nun nur noch Tiere aus artgerechter Haltung (was die Wildtiere hier bei UNS in D mit einbezieht) so ist für mich vollkommen klar, dass dies nicht funktionieren kann, wenn ich mir jeden Tag Fleisch auf den Teller knalle. Ich finde aus Respekt vor dem Lebewesen sollte fleischliche Nahrung (wieder) was besonderes sein. Wenn die Entwicklung davon weg geht Jagd als Trophäensport und mehr als Möglichkeit zum Fleischerwerb zu sehen, so finde ich es ebenso vertretbar Wild zu essen, wie Weideochse oder eines meiner überzähligen Hähnchen. Ob Fleisch essen ethisch vertretbar ist oder nicht steht auf einem ganz anderen Blatt und führt eh nur zu unnötigen Grundsatzdiskussionen.
spellon hat geschrieben:Allein aus diesem Grund ist es falsch die Wildtiere so zu behandeln als gäbe es unendliche Mengen davon.
Wir reden hier doch von Wild in unseren heimischen Wäldern oder? Wildschweine, Rehe, und Hirsche gehören mit Sicherheit nicht zu einer bedrohten Art.

PS:
Manfred hat geschrieben:Ich habe hier "Mein Wald" von Wohlleben liegen.
Auch darin behauptet er, der von Jäger hochgehegte Bestand großer Pflanzenfresser habe hierzulande bis zum 50-fachen der natürlichen Dichte.
Woher er diese Zahl nimmt, begründet er aber nirgends. Schon gar nicht mit Quellenangabe.
Er stellt diese Behauptung einfach in den Raum.
... ich finde den Hr. Wohlleben überaus kompetent. Er ist sozusagen einer meiner nächsten Nachbarn und wie bei jedem gibt es Leute die das was er macht gut finden und solche die es eher nicht gut finden, um es mal vorsichtig auszudrücken. Er hat einiges für die "Kleinwaldbesitzer" auf die Beine gestellt, war einer der ersten hier, der ausschließlich mit Rückepferden arbeitet und macht überaus kompetente Waldführungen und Lehrgänge. Ausserdem ist er sehr aktiv im Bereich Garten und Ziegenhaltung (hat aber jetzt nix mit der Jagd zu tun :mrgreen: ) Im März bin ich bei einem Seminar für "Kleinwaldbesitzer" bei ihm, dann werd ich ihn auf die "nicht belegten" Zitate mal ansprechen.
Erstaunlich, dass Menschen, die alles besser wissen, nie etwas besser machen.

Manfred

Re: Der "jagdfreie" Kanton Genf

#20

Beitrag von Manfred » Mo 27. Jan 2014, 20:58

Auja. Bitte frag ihn mal, wie er auf diese "natürliche Wilddichte" kommt und mit welchen Quellen er sie belegen kann.
Und frag ihn bitte auch, wie er sich die Mechanismen vorstellt, nach denen sich im Falle eines flächigen Jagdverbotes diese geringe Wilddichte einstellen soll.

An seinen Waldbaumethoden hab ich nichts auszusetzen. Bin ebenfalls Plenterwald-Fan.

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