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von emil17 » Fr 18. Okt 2024, 08:23
Ich habe zum Glück jemanden, der Freude an Bienen hat und auf meinem Land ein paar Beuten aufgestellt hat. Imkern kann man nicht auch noch so nebenbei, deswegen ist das eine gute Lösung für mich und für ihn.
Die Frage, ob und wie viele Bienen (oder Insekten oder Arten allgemein) es wofür braucht, ist eine Kernfrage der Biodiversitäts-Diskussion. Möglicherweise kann man mit der Zucht selbstfruchtbarer Sorten von eigentlich insektenblütigen Hochleistungs-Nutzpflanzen dem Problem kurzfristig auskommen. Damit wäre auch die Fläche, wo wirklich nur eine Pflanzenart vorhanden ist, theoretisch unbegrenzt, so wie etwa auch bei Getreide. Noch ein paar Tonnen Ertrag mehr pro Hektar, ist doch toll, denn viel ist ja bekanntlich gut und mehr ist noch besser.
(Wohin das führt? Kurzfristig etwas mehr Ertrag der Landwirte, mittelfristig noch mehr mittlere und kleine Betriebe, die verschwinden.)
Es gibt aber sehr viele wilde Pflanzenarten, die auf Bienen als Bestäuber angewiesen sind. Diese Funktion kann auch von Wildbienen übernommen werden, von denen es Hunderte Arten gibt. Die wiederum brauchen nicht nur dann Futter, wenn die Pflanze gerade blüht.
Das Problem haben auch die Bienenhalter. Man möchte seine Beuten so aufstellen, dass es das ganze Jahr über irgendwo irgendetwas für die Bienen gibt, egal ob es gehaltene Honigbienen oder wild lebende Arten sind. Oft wird das durch Wanderwagen oder Versetzen der Beuten gelöst. Aber wie soll das funktionieren, wenn in einer Landschaft grossflächig nur gleichartige Intensivkulturen vorhanden sind?
Die einfachste Lösung, die bis jetzt auch funktioniert hat, ist eine vielfältige Kulturlandschaft mit vielen Arten und Strukturen. Im Gebirge ist das automatisch gegeben, weil dort viele Flächen zwar bewachsen sind, aber nicht oder nur extensiv genutzt werden können. In der Ebene sieht das anders aus.
Andersrum betrachtet: Die Landschaft ist nicht nur Lebensraum und Lieferant für den Menschen, sondern auch Lebensraum für alles Andere. Genauso wie der Mensch nicht im Industriegebiet wohnt, verschwindet die Vielfalt des Lebens, wenn die Landschaft nichts mehr ist als möglichst produktiver Lieferant für Lebensmittel oder Bereitstellungsraum für Verkehrs-, Industrie- und Siedlungsfläche und alles so intensiv genutzt wird wie möglich.
Ob das tragisch ist? Eine Frage des Standpunktes. Man kann eine strukturreiche Landschaft wollen, in welcher man sich wohl fühlen kann, oder alles Hauptsache billig erwerben und mit dem gesparten Geld dahin in Urlaub fliegen oder fahren, wo es "schön" ist.
Leider ist "es geht ja auch so" nur die halbe Miete. Die Kollateralschäden unbegrenzter Produktivität bezahlen eben nicht diejenigen, die kurzfristig davon profitieren, sondern die Natur sowie alle, für welche die Umwelt mehr als Lieferant von Lebensmitteln und Bereitstellungsraum für Freizeitspass sowie Ort der Deponie von Abfall ist.
Bisher gab es immer soviel Natur und bisher haben alle Landnutzungen noch Platz für anderes gelassen, dass diese lokalen, ich nenne es Verödungen, kompensiert werden konnten. Offenbar ist das aber nicht mehr so.
Genauso wie ich auf der Strasse nicht fahren kann wie ich will, sondern auf die anderen Rücksicht nehmen muss, kann man mit dem Land nicht einfach machen, was man will. Auch aus ethischen Überlegungen heraus kann man leicht darauf kommen, dass eine struktur- und artenreiche Landschaft im Interesse aller ist. Die Tourismusindustrie weiss das, auch wenn sie alles tut, um den "Erholungswert" der Landschaft zu zerstören, von dem sie letztlich lebt.
In der Pflicht sind alle, die Flächen bewirtschaften oder Produkte konsumieren, deren Herstellung Fläche braucht: Der Bauer soll Flächen für Hecken usw. abgeben müssen, daneben im Gewerbegebiet wird für den neuen Supermarkt hektarweise Fläche versaut und versiegelt. Als Einfamilienhausbesitzer gäbe es auch anderes als Carport, Doppelparkplatz davor, Kirschlorbeer oder Schotter und sonst Rasenroboterfläche. Und ich kann mich nicht von allem freikaufen, indem ich irgendwelche CO2-Zertifikate für nachhaltige Palmölplantagen kaufe. Ebenso ist es nicht belanglos, wenn ich als Stadtbewohner Wegwerfkleidung aus Fernost kaufe oder sonst jeden Scheiss aus China kommen lasse.
Die Lösung? Relativ einfach auf Ebene Flächennutzung. Die Behörden müssen eine naturkonforme Flächennutzung durchsetzen. Landwirte gehören dafür extra bezahlt, denn es ist eine Leistung an die Allgemeinheit, die ihrem Einkommen aus der Ernte abgeht.
Für alle anderen muss es eine Planungsauflage sein, die auch kontrolliert wird.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.