Manfred hat geschrieben:Man kann nur jedem raten, seine Eier und sein Geflügelfleisch im eigenen Garten zu produzieren.
kleinesLicht hat geschrieben:In deutschen Wohnzimmern werden Wellensittiche gehalten.
hobbygaertnerin hat geschrieben:Und die paar Sonderlinge, die sich auf Geschmack, auf diesen nicht mehr tragbaren Luxus von selbst kochen, von "Hausmannskost" versteifen wollen, es muss doch möglich sein, allen soviel Arbeit aufzubrummen, dass ihnen solche Luxusescapaden auch noch vergehen.
Landfrau hat geschrieben:Schwierig wird es verständlicherweise da, wo ein Produkt externe, in geld zu bezahlende Kosten verursacht. Den Diesel für den Trecker, die Folie fürs gewächshaus, den Strom für die Schrotmühle bekomme ich nicht für Schafwollsocken oder Wachteleier.
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Der Preis - Hühnersch** unter den Schuhen, Schlachten, tägliche verpflichtung - wird belohnt mit appetitlichem Essen und dem Wohlgefühl, es besser gemacht zu haben.
Wer andere machen lässt und derweil auf den Malediven oder im Internet surft, bekommt ja auch sein täglich Frühstücksei - jeder nach seiner Fasson.
Ich habe nur mal ein paar kleine Sätze hier raus gepickt, als Beispiel.
Manchmal geht´s mir schon ganz schön auf den Sack, wie hier auf diejenigen runter geschaut wird, denen es nicht so gut geht wie euch. Die keinen Garten und keinen Stall und keine Weide ihr Eigen nennen können. Und dass alle, die sich nicht „Selbstversorger“ nennen können, über einen Kamm geschoren werden.
Nicht jeder wohnt auf dem Land oder ist in eine „Landwirtfamilie“ hineingeboren.
Ich war als Kind sehr froh, dass wir drei Wellensittiche hatten. Es waren die einzigen Tiere, die noch Platz hatten auf den 80 Quadratmetern, die wir zu sechst bewohnt haben. Hätten meine Eltern vielleicht Wachteln in den Vogelkäfig setzen sollen??? Auf dem Balkon stand fast jeden Tag Wäsche zum trocknen – da wäre kein Platz gewesen für Tiere oder Gemüse oder Kräutertöpfe. Und erlaubt war es sowieso nicht.
Wir haben in einer Neubausiedlung gewohnt, alles Mehrfamilienhäuser. Ein Auto konnten sich meine Eltern nicht leisten. Mein Vater musste (bei Wind und Wetter) mit dem Mofa zur Arbeit fahren. Großeinkäufe für die sechsköpfige Familie waren damit nicht möglich. Meine Eltern wären froh gewesen, wenn sie bei einem Bauern Eier, Milch und andere Produkte hätten kaufen können – nur: es gab weit und breit keinen Bauernhof!
Wir hatten einen recht großen Garten, ca. 25 Minuten zu Fuß von unserer Wohnung entfernt. Wir waren im Sommer mit unserer Mutter fast jeden Nachmittag dort, mein Vater kam abends direkt von der Arbeit (oft 48 Stunden-Woche) mit seinem Mofa dort vorbei gefahren, um noch ´ne Kleinigkeit im Garten zu erledigen und uns dann nach Hause zu begleiten. Wir sind dann totmüde nach Hause gelaufen, jeder musste was tragen, ´nen Eimer Kartoffeln, eine Schüssel Pflaumen, oder den leeren „Picknick“-Korb. Meine Eltern haben oft bis spät in die Nacht die Ernte aus dem Garten verarbeitet, bevor sie am nächsten Morgen um sechs Uhr wieder zur Arbeit mussten (meine Mutter zu der Zeit halbtags). Meint ihr, sie hätten noch Zeit gehabt, mit dem Bus zum nächsten Markt zu fahren, um Eier und Fleisch zu kaufen? Oder sich Gedanken darüber zu machen, ob die Hühner glücklich waren, von deren Eiern meine Mutter Pfannkuchen für vier gefräßige Kinder gebacken hat? Nein, eingekauft wurde in dem einzigen kleinen Supermarkt, der zu Fuß zu erreichen war, ohne Wenn und Aber. Zusätzlich noch Tierhaltung mit allem Drum und Dran zu betreiben, wäre allein zeitlich ein Ding der Unmöglichkeit gewesen.
Zeitlebens hat meine Mutter vom Häuschen im Grünen geträumt, aber es war finanziell nie realisierbar. Es wurde dann doch „nur“ ein „Stadthaus“, ohne Garten, aber es war wichtiger, dass wir vier (inzwischen größeren) Kinder endlich mehr als zusammen 18qm Zimmerfläche hatten und ohne allzu große Umstände zur Schule bzw. den Ausbildungsplatz kamen.
Für mich war dies die Kindheit, es ist Jahrzehnte her. Aber wie viele Familien gibt es auch heutzutage, die genau so (und schlechter) leben? Wo beide Eltern Vollzeit arbeiten, und trotzdem reicht es hinten und vorne nicht, und sie können sich den Traum vom Garten nicht erfüllen?
(Nebenbei bemerkt: unser damaliger Garten sollte, wie alle Gärten in dieser Anlage, der Landesgartenschau weichen. Man hätte allen Menschen dort, ohne mit der Wimper zu zucken, ihr kleines bisschen Lebensglück genommen, nur um das Image der Stadt aufzupolieren. Zum Glück ging es der Stadt finanziell zu schlecht, es gab keine Gartenschau, und die meisten Gärten konnten erhalten bleiben)
Ich habe später jahrelang in Mietwohnungen gewohnt, kleine, halbwegs bezahlbare Singlewohnungen. Teilweise hatte ich nicht mal einen Balkon.
Ich habe mir damals allerdings auch noch nicht allzu viele Gedanken über „Selbstversorgung“ gemacht. Aber selbst wenn: meine Gedanken wären nicht gewesen: wo bekomme ich das Geld für Diesel für den Trekker her oder für Gewächshausfolie oder Strom für die Schrotmühle, sondern: wovon um alles in der Welt soll ich einen Trekker bezahlen, wo ihn parken, wo ein Gewächshaus aufbauen, wo eine Schrotmühle (Obstpresse, Einkochautomat, Weckgläser, Fleischwolf oder was auch immer) in meiner kleinen Küche unterbringen? Meine zur Wohnung gehörenden 5qm Kellerraum waren schon voll mit Winterreifen, Fahrrad und Gästematraze, eine Garage hatte ich nie. Also wohin mit all den Gerätschaften? Klar, man kann sich seine Wohnung komplett zustellen, aber ist das noch lebenswert, wenn man ständig über etwas drüberfällt?
Hühnersch... unter den Sohlen macht mir nichts aus, aber schlachten kann ich nicht (wozu auch, hätte ich ein Schwein in der kleinen Mietwohnung halten sollen? Und wohin mit dem vielen Fleisch, wenn kein Platz für ´ne Tiefkühltruhe ist?). Tägliche Verpflichtungen hatte ich neben dem Vollzeitjob auch mehr als genug, auch ohne eigene Tiere. Was das Produzieren von Lebensmitteln angeht, habe ich bisher größtenteils andere machen lassen, ja, aber Urlaub habe ich mir trotzdem noch nie groß leisten können, und die Freizeit (was ist das?) habe ich auch sicher nicht im Internet verbracht.
Während die einen sich stolz „Selbstversorger“ nennen und ihre Zeit damit verbringen, Tiere zu versorgen und Gemüse anzubauen, sorgen andere Menschen tagtäglich dafür, dass Müll entsorgt, Schulen gebaut, Telefonkabel verlegt, Alte und Kranke gepflegt, Landmaschinen gebaut, Dachziegel produziert werden. Die meisten von ihnen arbeiten hart und bis an ihre Leistungsgrenzen. Sollen die alle nebenbei auch noch Hühner und Kaninchen halten? Einen Garten bewirtschaften? Oder sollen die jetzt alle ihren Job hinschmeißen, aufs Land ziehen und ihr eigenes Vieh halten und Felder bestellen? Wie stellt ihr euch das vor?
Es gibt so viele Menschen, die in kleinen Wohnungen wohnen, und die sich trotzdem Gedanken über ihre Ernährung machen und bereit sind, mehr für „Bio“ zu bezahlen, um wenigstens irgendwie einen kleinen Beitrag zu leisten. Über diese jetzt die Nase zu rümpfen, weil sie im (Super-)Markt Bioeier kaufen oder sich – aus purem Zeit- und Platzmangel – keine Tiere halten können und auch mal ein Fertiggericht in den Ofen schieben, ist voll doof!!!
Wo ich jetzt wohne, gibt es in der Nachbarschaft sehr viele Hartz-Vierler und Rentner. Denkt ihr, die machen sich Gedanken über glückliche Hühner? Die fragen sich einzig und allein, wie sie sich und ihre Kinder satt kriegen. Die kaufen sich sicher kein „echtes“ Biohuhn für 25 Euro, sondern nehmen den Dreierpack Tiefkühlhähnchen für 5 Euro, um möglichst lange damit über die Runden zu kommen.
Den Traum vom „Eigenheim“ (damit meine ich Haus, Stall, Garten, Land, Wald...), ohne den eine Selbstversorgung nun einmal nicht geht, haben viele schon lange ausgeträumt. Und es nutzt ihnen auch nichts, wenn sie eine kleine Gartenparzelle haben... sie können schlicht die Kosten nicht aufbringen für die Anschaffung eines Stalles, die Umzäunung, die Tiere selbst und das benötigte Futter. Sie wissen ja oft nicht mal, wovon sie die Fahrkarte bezahlen sollen, um zum Jobcenter zu kommen, oder die 10 Euro für neue Fotos für Bewerbungen, zu denen sie verdonnert sind. Viele wären sicher schon froh, sich die „billigen“ Bioeier aus dem Supermarkt kaufen zu können, aber nicht mal dafür reicht es.
Und jetzt einfach zu sagen, dass „die Leute“ zufrieden mit den Billigeiern und selbst schuld an allem sind, finde ich ziemlich großkotzig.