Pferdehaltung - was ist artgerecht?

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Spottdrossel
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Re: Pferdehaltung - was ist artgerecht?

#1

Beitrag von Spottdrossel » Do 14. Jun 2012, 18:48

Da hast Du ein breitgefächertes Thema angesprochen.
Das die Pferde als Herde zusammenstehen statt in Einzelhaft, ist erstmal positiv.
Der Auslauf - da gibt es natürlich einen Unterschied zwischen privater Pferdehaltung und gewerblichem Reitbetrieb.
Wer ab und zu mal abends sein Pferd reiten will, kann es natürlich tagsüber auf die Weide lassen - das ist optimal.
Ein Reitbetrieb muß seine Rösser schnell greifbar haben, da ist der Auslauf zum "Füße vertreten" der beste Kompromiß. Andere Ställe haben die Pferde den ganzen Tag in der Box, auch, damit sie sich nicht so einsauen können.
Grade im Fellwechsel finden Pferde das Wälzen im Schlamm ganz toll :mrgreen: , natürlich wäre ein (zumindest teilweise) befestigter Auslauf noch besser, aber das ist halt auch eine Kostenfrage.
Da sich ein befestigter Auslauf auch einfacher reinigen läßt, unterstelle ich mal, daß die Stallbetreiberin sich diesen Luxus momentan nicht leisten kann, also die Befestigung als "Fernziel" angestrebt wird.
Heu statt Gras? Es gibt Pferde, die grade auf frisches Frühlingsgras sehr empfindlich reagieren.
Andere haben dafür eine Heuallergie.
Ist ähnlich wie beim Menschen, der eine verträgt dieses und der andere jenes besser. Da Verdauungsprobleme beim Pferd ein heikles Thema sind, unterstelle ich per Ferndiagnose, daß die Dame die Methode gewählt hat, die ihren Pferden am besten bekommt.
Was die Mist-Thematik angeht: beobachte doch einfach mal weiter. Also quasi einen durchschnittlichen Mist-Mittelwert ermitteln, um herauszufinden, ob Du nur eine ungünstige Zeit erwischt hast, oder ob es da generell klemmt.
Der Unterricht hat euch gefallen, der nächste Punkt sind die Schulpferde: sind sie freundlich, interessiert und ausgeglichen?
Kommen sie auf die Reitlehrerin zu, wenn sie geholt werden?
Wenn das der Fall ist, kannst Du davon ausgehen, daß die Pferde zufrieden und die Haltung artgerecht ist.
Grade in der Regenperiode der letzten Wochen können Offenställe schon mal recht deprimierend aussehen.
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die fellberge
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Re: Pferdehaltung - was ist artgerecht?

#2

Beitrag von die fellberge » Do 14. Jun 2012, 19:37

Artgerechte Haltung????

-ist Wiese, Herde, Schattenplätze unter Bäumen,Unterstellmöglichkeiten- die Fläche ist unbegrenzt!

Wer kann das schon bieten?

Unser Pferd stand zum Einreiten in einem renomierten Reitstall- Boxenhaltung, KEIN Weidegang, toller Reitplatz (Dressurviereck), z.T. Pferde die 23 Std in der Box standen ... und dann auf´s Laufband gingen ...

- getauscht gegen= Offenstall, Herdenhaltung, priv. Einsteller, etwas gewöhungsbedürftig ....

Dem Pferdle geht es gut, das ist ausschlaggebend- und wenn es wieder nach Hause kommt- hat es Wiese satt, Schattenplätze unter Obstbäumen, an der Herde arbeiten wir noch :aeh:
Jeder Mensch ist schlau- der eine vorher, der andere hinterher!

LG Marianne

Sabi(e)ne
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Re: Pferdehaltung - was ist artgerecht?

#3

Beitrag von Sabi(e)ne » Do 14. Jun 2012, 21:47

Dann werf ich meine paar Erfahrungen auch mal dazu:
wir hatten 85qm Offenstall (5 Boxen auf dem Hof, da waren Pferde aber nur im Krankheitsfall drin - 2 x in 7 Jahren, einmal nach einer Kastration, und einmal nach einer schweren Hufverletzung nach einem Ausritt - Scheißglasflaschen im Bach :nudel: , ansonsten Geflügel des nachts).
Der Offenstall stand auf der hofnächsten Wiese, die im Winter zur Schlammgrube mutierte - Lehm-Tonboden halt, und war 2ha groß. Die nächsten 2ha waren für Winterfutter, wurden also erst ab Mai/Juni nach dem ersten Schnitt beweidet.
Die beiden anderen ha waren dann wechselweise beweidet über Sommer, auf die Wiese mit Stall kamen sie erst im Herbst wieder. Diese 4ha hatten alle große Eichen als Schattenspender, oder Obstbäume.
Der Schlamm war schon übel in manchen Jahren, es hat mir mehr als einmal die Gummistiefel von den Füßen gezogen (einmal auch mit Pferdenachhilfe :haha: im Rücken)
Mauke hat kaum je ein Pferd bekommen, jedenfalls kein Fjordi oder Isi/Hafi; wenn, waren es die Warmblüter, aber das war ab erster "richtiger" Weide im Frühling immer schlagartig vorbei.
Im Schnitt hatten wir 6 Pferde, ab und zu bis zu 9 im Sommer, oder "nur 4" im Winter, unsere Einsteller hatten alle kein Geld, und wechselten gern wegen 10€ zu anderen Höfen, um dann festzustellen, daß der "Quasi-Familienanschluß" mit Selbstbedienung am Stallkühlschrank, und abends um 22 Uhr im Sommer noch ausreiten zu wollen und können, und danach auch noch ein Bier zu bekommen, nicht überall gegeben ist... :mrgreen:
Dressurplatz (Sand) hatten wir auch, im Winter sogar mit Licht, wurde aber kaum je genutzt, weil einfach zu kaltes und zu nasses Wetter für die Reiter....*ggg*

Was man aushalten können muß:
wenn neue Pferde dazukommen, muß man ein paar Tage lang innen die Ecken rund abzäunen, damit der Neuling nicht in die Ecke getrieben werden kann, und man muß auch leichte/mittlere Kloppereien ertragen können - es IST halt Herdenverhalten, und Mensch sollte sich da tunlichst raushalten.
Wenn die Rangordnung geklärt ist, ist alles okay, aber bis dahin können manchmal wirklich auch Fellfetzen fliegen.

Unser Nachbar brachte jedes Jahr seine Junghengste ins Münsterland auf eine reine 250ha Hengstweide - die wurden alle gleichzeitig losgelassen auf Kommando, dann gab es eine halbe Stunde Klopperei mit viel Getöse und großer Lautstärke, und danach war alles ruhig - den ganzen Sommer lang.
Ernsthaft verletzt wurde dabei keiner, aber ich vermute, danach waren alle grün und blau unterm Fell.
Es ist ein highlight, sowas mal live zu sehen, auch wenn es absolut unnatürlich ist, nur Hengste zusammen stehen zu haben - geht aber ABSOLUT besser als eine reine Stutenherde - die zoffen sich mindestens alle 3 Tage richtig... :pfeif: :mrgreen:
Nachdem auch andere Nachbarn ähnliche Offenstall-Pferdehaltung betrieben, tun mir seit damals alle 23h/Box-Pferde zutiefst leid. :ua:
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citty
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Re: Pferdehaltung - was ist artgerecht?

#4

Beitrag von citty » Do 14. Jun 2012, 23:17

Hi,

artgerecht ist Herdenhaltung auf einer riesigen Weide mit trockenem sauberen Offenstall. Wenn nur eine kleiner Auslauf zur Verfuegung steht muss das ein Sandplatz sein auf keinen Fall nur Matsch, das ist ja wiederlich. Pferde bekommen Strahfaeule (der Huf fault und stinkt, kann toedlich sein!!) wenn sie in der Naesse stehen ausserdem legen sie sich kaum hin, sowas ist Tierquaelerei!!! Auch lieben Pferde frisches Gras und sollten zumindest eine kleine Portion taeglich bekommen. Im Winter brauchen sie auch etwas frisches oder zumindest eingeweichtes Ruebenschnitzel oder Mash sonst besteht Kolikgefahr. Ich wuerde von solchen Schmuddelstaellen Abstand halten, egal wie nett die sind.

LG Citty

PS: manchen Pferden macht Einzelhaltung weniger aus, z.B. Wallachen wenn sie sehr menschenbezogen sind und/oder ein paar andere Tiere zur Gesellschaft haben. Unser Jimmy war auch alleine direkt am Haus, den haben andere Pferde kaum interessiert, Ausnahmen bestaetigen die Regel.
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Re: Pferdehaltung - was ist artgerecht?

#5

Beitrag von Sabi(e)ne » Do 14. Jun 2012, 23:40

citty, unsere waren komplett trocken im Offenstall im Winter, aber da gingen sie eh nur zum Füttern und Saufen rein.
Und ja, Strahlfäule ist Mauke - Mensch kriegt ja auch Hautpilz, wenn er ständig im Nassen steht.
Sobald das Winterfell drauf war, gingen sie nicht mal bei Schneesturm rein, sondern standen lieber draußen, den Hintern im Wind.
Klar waren das keine kanadischen Winter, aber minus 20°C hatten wir da auch schon - gaaaanz toll, wenn man jeden Eimer heißes Wasser auf dem Ofen machen und dann 90m weit tragen muß.... :ua:
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Senf
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Re: Pferdehaltung - was ist artgerecht?

#6

Beitrag von Senf » Fr 15. Jun 2012, 09:26

Strahlfäule und Mauke sind durch das permanente stehen im Matsch vorprogrammiert.. Klar suhlen die sich gerne mal im Schlamm.. aber durch den Urin und Kot der im Matsch ist wirds ein Bakterienparadies..

Gras ist nur dann gefährlich wenn man nicht ausreichend anweidet, das Fruktan im Gras noch zu hoch ist , man Rehekandidaten hat ( zu fett, Rassen die auf Magerkost gezüchtet sind wie Norweger, Haflinger, viele kalte Schläge )

Super Konzepte die auch gut umzusetzen sind bietet zum Beispiel " Paddock Paradise " . Das kann man mit ein bisschen Arbeit und relativ wenig Kosten auch auf 2ha umsetzen..

Btw: Citty hat Recht- Strahlfäule kann tödlich sein! Dadurch kann Hufkrebs entstehen und das wars meistens ( ist auch eine ganz schlimme , schmerzhafte Angelegenheit )

Strahlfäule ist übrigens NICHT Mauke.

Mauke entsteht in der Fesselbeuge und ist eine bakterielle Entzündung. Strahlfäule entsteht durch Verdauungsbakterien die das Pferd ausscheidet und die den Huf zersetzen ( wenn die Pferde zuviel in der Matsche/Box/Mist stehen )
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Re: Pferdehaltung - was ist artgerecht?

#7

Beitrag von Spottdrossel » Fr 15. Jun 2012, 09:34

Beim Thema Weide gibt es auch gerne Mißverständnisse: die saftig-grüne Bilderbuchwiese ist für den Steppenbewohner Pferd ungefähr genauso gesund wie für uns Cornflakes zum Frühstück - gutes Pferdegras ist lang, hart und nährstoffarm.
Was gesünder ist und was sie lieber fressen - siehe Cornflakes :mrgreen: .
In einer Gegend mit nährstoffreichem Gras kann ein leichtfuttriges Pferd leichter mit Gras krank werden als ohne. Auf einem Friesengestüt, wo ich zu Besuch war, wurde sogar Stroh zugefüttert, damit das Verhältnis Rauhfutter/Nährstoffgehalt stimmte.
Das Pferd will am liebsten den ganzen Tag kauen, wenn aber der Fructangehalt im Gras zu hoch ist, muß man mit Heu oder Stroh "mogeln".
Es gibt auch wildlebende Pferde, die einen Kontakt mit Matsch überleben :pfeif: . Der Unterschied ist, ob es hauptsächlich nasse Erde ist (kann bei trockenen Hufen sogar positiv sein) oder zersetzender Ammoniak.
Ein Boxenpferd auf ungepflegter Strohmatratze kann schlechtere Füße haben als der Offenstallgaul mit schlammbespritzten Beinen.
Manches, was in der Theorie ideal ist, läßt sich auch einfach durch örtliche Gegebenheiten nicht machen, wenn z.B. keine zusätzliche Wiese mehr in Reichweite ist, kann der Stallbetreiber auch keine herzaubern, selbst wenn er gerne möchte.
Mein Entscheidungskriterium ist immer, ob der Stallbetreiber aus den gegebenen Möglichkeiten das Optimale für seine Pferde rausholt, und wie sich die Pferde insgesamt verhalten. Wenn dann noch der Umgangston im Stall paßt und nicht das Unvermögen des Reiters mit Hilfszügeln kaschiert wird, kann man einen Versuch wagen :daumen: .
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Re: Pferdehaltung - was ist artgerecht?

#8

Beitrag von Senf » Fr 15. Jun 2012, 09:47

Spottdrossel hat geschrieben: Es gibt auch wildlebende Pferde, die einen Kontakt mit Matsch überleben :pfeif: . .
Ja klar überleben die auch mal Matsche.. der Unterschied ist aber das sich das Wildpferd dem entziehen kann! Viele Offenstall Pferde stehen ja von Oktober bis April in der eigenen Sch.. :sauenr_1:

Das ist dann Faulheit vom Menschen- soll ja auch sowas geben wie Sand, Hackschnitzel oder Paddockmatten.
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Re: Pferdehaltung - was ist artgerecht?

#9

Beitrag von Knecht » Fr 15. Jun 2012, 12:26

Hallo,

also richtig eklatante Misstände hast Du da wohl nicht gesehen,sehe ich zumindest keine.Und ich denke daß auf dem Hof einfach die Arbeit etwas hinterherhinkt,wäre sicher hilfreich wenn "Deine großen Mädels" eine Stunde vor Reitbeginn mal mit anpacken !

Wenn die Stallbetreiberin ca 6 Pferde selbst hält,3-4 zum kurieren da sind hat sie lediglich ca 6 Einstellpferde....damit ist kein Stall zu finanzieren geschweige denn ein "angenehmes Ambiente für Sportreiter".
Ich weiß aus eigener Erfahrung (war mal Stallknecht) daß die wenigsten aktiv mithelfen.....wozu auch,die haben ja bezahlt.

Also bitte erstmal das Gesamtbild einwirken lassen,das Gespräch suchen,sich einbringen wenn man meint die Zustände wären nicht optimal,helfen...den Tieren zuliebe.Sommeraktion starten z.B. den Aussenplatz mit Drainage zu versehen.

Was hättest Du getan wenn hier der Tenor wäre......oho,ganz,ganz schlimm das alles,Tierquälerei...?
Schnell den Hof gewechselt?
Ich bin weit davon entfernt Dich blöd anzuquatschen, :flag: ,aber Dein Eingangspost bzw. der geschilderte Zustand dort hätte mich jetzt nicht unbedingt bewogen ....mich hier im Forum mit Meinungen zu versorgen ;) ,red mit der Frau...scheint Euch doch sympathisch zu sein.
Mehr miteinander......es lohnt sich oft und eine gute Stallgemeinschaft ist unbezahlbar.

LG

....ja ich weiß,ich habe wieder nix begriffen,total daneben und mein Ton ist auch wieder allerfeinste Schreibkultur.
Sorrysorrysorrysorry........ :pfeif:

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Re: Pferdehaltung - was ist artgerecht?

#10

Beitrag von citty » Fr 15. Jun 2012, 15:51

Hallo Aufgewacht,

man kann noch so fleissig sein und nicht hinterherkommen. 16 Pferde machen sehr viel Mist und Pipi. Wenn man es nicht schafft soviele Pferde ordentlich zu versorgen darf man eben nicht soviele halten. 1 Stunde laenger arbeiten macht da nicht viel Unterschied.

Genau, Mauke ist nicht mit Strahlfaeule zu verwechseln. Mauke ist was ganz anderes, ist zwar nicht toedlich aber seeeehr unangenehm.

LG Citty

PS: mein Jimmy ist Matsch eher ausgewichen obwohl er nicht wasserscheu war, im Bach hat er sehr gern geplanscht. Pferde die im matsch stehen sind ein trauriger Anblick. Haben die nicht mal ein paar Euros uebrig fuer eine Lastwagenladung Sand???
Dr. Roger Liebi fan :)

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